Torah, Evangelium und mehr: Gottes Wort in dein Ohr
Zum 3. Sonntag im Jahreskreis (Sonntag des Wortes Gottes) – Lesejahr C
Fast Food für Augen und Ohren?
In unserer Familie haben wir eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet. Man kann nicht behaupten, dass alle Familienmitglieder mit wehenden Fahnen auf dieses Projekt aufgesprungen sind und es machen auch nicht alle mit. Aber es klappt ganz gut. Wenn wichtige Dinge rasch in der Familie mitzuteilen sind, hat sich das ganz gut bewährt. Ich weiss von Freunden, wo das ebenso gut läuft. Im Pfarrhaus bin ich in sechs oder sieben Chatgruppen drin – ich habe den Überblick verloren. Auch hier: Wichtiges und weniger Wichtiges ist rasch bei allen, die es interessieren soll. – Diese Art der Kommunikation hat wahrlich viele Vorteile. So stehe ich doch öfters mit Verwandten in Deutschland oder Bekannten irgendwo in der Welt in Kontakt, die ich sonst wahrscheinlich aus dem Auge verlieren würde. Wichtiges kann auch sehr kurzfristig an den Mann oder die Frau gebracht werden.
Hinhören und hinschauen
Aber dennoch ist ein kritischer Blick auf eine solche Art der Kommunikation durchaus angesagt – mal abgesehen von Sicherheits- und anderen Aspekten. Wenn man so digital kommuniziert, passiert doch schnell Ähnliches wie bei jemanden, der von analoger Fotografie auf eine Digitalkamera umsteigt. Statt dass ich sechsundreissig Mal auf den Auslöser drücken kann und dann der Film voll ist und ich danach für jeden Bildabzug vierzig Rappen zahlen muss, betätige ich den Auslöser einer Digitalkamera Hunderte Male und lösche einfach den allergrössten Teil der Bilder, die ich nicht haben will, nachher wieder. Es kostet ja nichts – aber es gilt auch: Ich investiere nicht so viel und bemühe mich viel weniger als noch zu früheren Zeiten. Klar, digitale Fotografie hat viele Vorteile – aber halt nicht nur.
So ist es auch bei der Kommunikation. Wir müssen mehr und mehr darauf achten, welchen Wert eine Konversation mit Anderen hat und noch viel mehr: welche Wertschätzung wir unseren Kommunikationspartnern und noch vielmehr: allem Kommunizierten entgegenbringen wollen. Kommunikation, die nichts kostet – weder Zeit noch Mühe oder sonstwas -, kann auch schnell einmal wertlos werden. Geradezu billig. In vielen Situationen unseres Lebens macht das vielleicht nichts: Schnelle und belanglose Kommunikation darf ja durchaus ein Teil unseres Lebens sein. Aber eben nicht zu oft. Ich merke immer mehr, wie es droht, dass die Wertschätzung des guten Wortes untergeht. – Der heutige Sonntag des Wortes Gottes warnt uns daher, mahnt uns und lädt uns ein zum gepflegten Umgang mit dem Wort. Vor allem eben: mit dem Gotteswort.
Einladung zum Ohren-Schmaus
In der ersten Lesung haben wir dazu von einer sehr speziellen Hinhör-Situation vernommen. Wir befinden uns in der Mitte des fünften Jahrhunderts vor Christus. Die Zeit der Verschleppung des Volkes Israel nach Babylonien neigt sich dem Ende entgegen und der am persischen Hof arbeitende jüdische Staatsbeamte Esra wird nach Jerusalem entsendet, um dort der israelitischen Gemeinde, die aus der persischen Diaspora zurückkehrt ist, beim Aufbau zu helfen. Und was hilft mehr beim Aufbau einer religiösen Gemeinschaft als das Wort Gottes. So hören wir heute, wie Esra der Gemeinde in einer Art Freiluftgottesdienst dieses Wort Gottes verkündet. Und anscheinend hat Esra zusammen mit dem Propheten Nehemia wohl eher die strengen Weisungen aus der Torah ausgesucht, denn es hiess, die Zuhörerschaft stand da in Tränen aufgelöst. Am Ende aber liess er dann alle Anwesenden wissen: Nun geht, haltet ein festliches Mahl und trinkt süßen Wein! […] Denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre unseres Herrn. Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke. – Die neue, wiederaufgebaute Jerusalemer Gemeinde soll dem Wort eine herausragende Wertschätzung entgegen, die auch ein Ausdruck ihres Dankes gegenüber diesem Gott ist, der sie aus dem Exil zurückgeführt hat in die Heimat. Denn die Weisungen, die sie vernommen haben, sind es, die Rettung und Heil verheissen. Der Geist dieser Worte soll Wirkung zeigen und sie zu einem Volk zusammenführen, dass jene Zukunft hat, die Gott dem Volk einst einmal – lange zuvor – versprochen hat und die durch das Babylonische Exil – äusserlich betrachtet – so furchtbar gefährdet war. Und für die neue nachexilische Gemeinde gilt dasselbe wie für die frühchristliche Gemeinde Jahrhunderte nach dem Exil: Es verbindet die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinde nicht Kultur oder Herkunft sondern nur der eine gemeinsame Glaube: Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, hiess es bei Paulus.
Das Wort wird Mensch
Es ist gut, all diese Reflexionen in Kopf und Herzen zu haben, wenn wir das Evangelium dieses Sonntags vernehmen, das uns einen Schritt weiterführt. Die Geschichte erzählt, wie Jesus in seine Heimatstadt kommt, um in der Synagoge zu lehren. Nur allein schon mit seiner Predigt bekommt die Bedeutung des Wortes eine ganz neue Dimension. Wenn wir den Prolog des Johannesevangeliums anklingen lassen, wo es heisst: Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, ist diese Erzählung mehr als nur jene von einer guten Predigt. In der Synagoge zu Nazareth verkündet Jesus nicht nur Gottes Wort – er ist es selbst. Er redet nicht von der Gnade Gottes – er ist diese menschgewordene Gnade. Und so kann Jesus am Ende der Szene dann auch sagen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
Seid ganz Ohr
Wenn wir uns im religiösen Kontext, in unserem Glaubensvollzug vom Wort berühren lassen, dann ist das alles, nur kein oberflächlicher Chat mit mehr oder minder interessantem Inhalt. Wenn wir uns vom Wort Gottes berühren und erfüllen lassen, dann ist das Offenbarungsgeschehen: Gott selbst kommt zu uns, tritt in unser Leben ein. Und dieses Wort lässt sich nicht so einfach wegklicken und der Bedeutungslosigkeit preisgeben, denn es ist lebensstiftend – davon geben alle Verkündigungstexte des heutigen Sonntags einen intensiven Eindruck. Der heutige Sonntag des Wortes Gottes will uns einladen, inmitten der vielen Worte in dieser Welt jene herauszuhören, die wirklich was zählen, die wirklich Göttliches verheissen, die unser Leben ausmachen. Und dazu bedarf es eben nicht nur flinker Fingerspitzen auf der Tastatur eines Smartphones, sondern es braucht noch viel mehr: wache Augen, offene Ohren und ein bereites Herz.
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