Da kamen sie mit und sahen, wo er wohnte

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Zum 2. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B

Begegnung von Angesicht zu Angesicht

Ich erinnere mich an meine ersten Bewerbungen in früheren Zeiten. Damals kam es drauf an, dass das Bewerbungsdossier zum einen layouttechnisch herausstechend daherkam, und auch dass die Unterlagen mehr als vollständig waren und die Referenzen zahlreich. Leute im Personalwesen mussten sich Zeit nehmen, all das zu studieren, um dann die richtigen Entscheidungen zu treffen. All das ist vorbei. Wer heute seine Bewerbung irgendwo einreicht, gibt oft nicht mehr als ein Anschreiben und einen Lebenslauf ab. Das Anschreiben soll einen ersten Eindruck vermitteln, der Lebenslauf will zeigen, ob die Person sich so entwickelt hat, dass sie auf die ausgeschriebene Stelle passen könnte. – Mit denjenigen, die dann zu passen scheinen, geht es zum entscheidenden nächsten Schritt: zum persönlichen Gespräch. Aus Momenten, in denen ich selbst solche Einstellungsgespräche geleitet habe, weiß ich: Ich sammle meine Eindrücke vor allem in der Begegnung und dann vom ersten Handschlag an. Und nicht selten ist es vorgekommen, dass sich die guten Eindrücke, die die Bewerbungsunterlagen geliefert haben, in der persönlichen Begegnung in Luft aufgelöst haben. – Auch im Zeitalter von Videocalls, Online-Meetings und elektronischen Personaldossiers lässt sich nicht leugnen: Nichts geht über die Begegnung von Angesicht zu Angesicht.

Mehr als “hallo”

Das weiß auch der Gottessohn. Wir hörten soeben im Evangelium: Am Jordan sammelt Jesus die ersten Gefährten für seine Mission. Und das auf eine einfache Weise. Er sieht sie an und hört sie. Mehr braucht es nicht. Aber das ist viel. Am Anfang von Jesu Wanderung steht also ein Kontakt, der für den Betroffenen zutiefst einschneidend und lebensverändernd ist. – Das Fundament, die Basis unserer Kirche also ist: Beziehung. Jesus macht gleich von Anfang an deutlich: Kirche lebt und Glaube wächst nur, wo man einander auf Augenhöhe trifft und zuhört.

Nehmt (euren) Platz

Aber das ist noch nicht alles. Die zwei Jünger, die in Jesu Bann geraten, gehen noch einen Schritt weiter. Wo wohnst du?, fragen sie ihn. Und Jesu Antwort: Kommt und seht! Er lädt sie ein in das Haus wo er gerade wohnt, und das heißt nach orientalischem Gastrecht: Er lässt sie ein in den Schutzraum seiner Privatsphäre. Er zeigt sich ihnen, wie er ist, und macht damit einmal mehr deutlich: Evangelium leben und verkünden braucht mindestens Beziehungen, am besten aber Gemeinschaften. Jesu Präsenz und sein Gemeinschaftsleben ziehen sich schließlich wie ein roter Faden durch das Wirken des Gottessohnes. Auch nach seinem Tod und seiner Auferstehung erscheint er den Jüngerinnen und Jüngern und baut so mit ihnen an der Gemeinschaft der Kirche.

Schlüsselerlebnisse

In der berührenden Geschichte von den Anfängen des Propheten Samuel scheint Ähnliches auf. Da ist der Schüler Samuel und sein Lehrer. Als Gott ihn ruft, weiß Samuel nicht so recht, was da geschieht. Erst als Eli herausspürt, was da eigentlich los ist, kann er seinem Schüler die Situation deuten. Es braucht das Verständnis und das Einfühlungsvermögen des Lehrers, um die sich anbahnende Gottesbeziehung richtig erkennen zu können. – Und es wird deutlich: Gott bahnt sich anscheinend im Leben der Menschen Wege, die sich nicht immer sofort ausmachen lassen. Wir müssen die Augen und Herzen offenhalten und uns immer wieder fragen: Ist Gott da am Werk? Und uns dabei auch eingestehen: Er ist öfter im Spiel, als wir das glauben oder zulassen wollen. Das auch in so mancher Situation des Lebens, von der wir oder die ganze Kirche gar meinen, da habe Gott nichts mit zu tun. Mit derselben Sensibilität, die Eli an den Tag gelegt hat, sind wir gerufen, Gottes Gegenwart im Leben dieser Welt immer wieder neu zu erkennen.

Mach mit

Nochmal zurück zu der Begegnung Jesu mit den ersten Jüngern. Die Perikope endet nämlich in einem besonderen Moment. Da ist zu hören wie Andreas, einer der ersten, denen Jesus begegnet, ihn mit seinem Bruder Simon bekannt macht. Dieser Bruder kommt zuletzt in die Szene, endet aber mit der wichtigsten Rolle im zukünftigen Apostelkreis. Jesus nennt ihn Petrus, den Fels, und er wird die Rolle des Apostelersten übernehmen.

Die Begegnung der ersten Apostel mit Jesus ist nicht ein oberflächliches Zusammentreffen – es ist im religiösen Sinne sinnstiftend. Gerade die Berufung des Petrus sagt uns: Wann immer Gott wen in seine Kirche ruft, hält er für einen solchen Menschen einen – seinen – Platz bereit. Damals wie heute. Wer immer heute zum Christsein berufen ist, für den hält Gott einen Platz bereit, für den wir als Getaufte unsere Verantwortung tragen, den uns aber auch niemand absprechen kann. Keiner kann einem oder einer anderen Getauften sagen: Du gehörst nicht hier hin.
Damit kann unsere Glaubensgemeinschaft durchaus mal zu einer Herausforderung werden, aber das ist so – und das war auch immer so: Die Evangelien beschreiben ja auch einige Reibereien unter den Aposteln.

Lassen wir uns nieder

Kommt und seht! – so wie Jesus die Jünger in seine Nähe gerufen hat, ergeht die Einladung in die Nähe des Gottessohnes an uns auch heute. Wir hörten: Sie sind in sein Haus gegangen. Und die Familienfeiern der vergangenen Weihnachtstage haben mancherorsts mal wieder gezeigt, wie schwer das manchmal auszuhalten ist. So manche traute Familienrunde ist in immerwährenden Konflikten untergegangen. Wenn wir uns miteinander in der Nähe Jesu bewegen, dann geht’s da genauso zu und her: Es scheppert und kracht durchaus mal gehörig. Und die Konfliktthemen in der Kirche sind ja zahlreich genug, als dass wohl niemand keines benennen könnte. Über allem Rauch und Knall, über allen Konflikten und Verletzungen, die man sich in der Kirche antut, steht aber diese Einladung Jesu: Kommt und seht! Antworten wir wie die Jünger: Da kamen sie mit und sahen, wo er wohnte.

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