Heilige Familie? – Heilige Familie!
Zum Fest der Heiligen Familie – Lesejahr C
Viele von Ihnen haben in den letzten Tagen eine ähnliche Erfahrung wie diese gemacht oder werden sie vielleicht noch machen: Zum Weihnachtsfest kommt die Familie, kommen Angehörige, Freunde, vielleicht Nachbarn oder andere zu Besuch, man sitzt zusammen und erfreut sich an der Gemeinschaft. Diese hat oft ganz unterschiedliche Qualität – man trifft Leute, auf die man sich sehr freut, weil man sich schon lange nicht mehr gesehen hat – und andere solcher Gelegenheiten können durchaus auch mal sowas wie Pflichtübungen sein. Wie dem auch sei: Oftmals ist man doch dann auch froh und dankbar, wenn man nachher noch einmal in Ruhe durchgehen kann, wie‘s gewesen war und zum Aufräumen schreiten kann. Vielleicht setzt man sich nachher in den Sessel und zehrt noch einen Moment von den schönen Begegnungen, von guten Gesprächen, von der heilsamen Begegnung mit Anderen. Und die guten Erfahrungen tragen, wenn dann wieder die gewohnte Tagesordnung einkehrt.
Familienchaos
In ähnlicher Weise muss es an der Krippe zu und her gegangen sein. Kaum hatte das Kind das Licht der Welt erblickt, ging der Trubel ja los: Erst Hirten vom Feld mit der ganzen Herde, dann völlig Fremde aus einer anderen Kultur – sie alle wechselten sich munter ab. Am Ende dann nur ein Moment der scheinbaren Ruhe – denn jetzt sollte es erst richtig losgehen. Als politischer Flüchtling sollte Josef sich mit seiner Familie nach Ägypten wenden, weil die Regierung seines Heimatlandes seinem Sohn nach dem Leben trachtete. Eine Familie, die unter solchen Umständen entsteht, ist nicht zu beneiden – wenn auch diese Situation in heutiger Zeit keine Seltenheit ist. Erst wesentlich später, als die Situation sich beruhigt hatte, konnte die Familie nach Galiläa zurückkehren, sich niederlassen und ein geregeltes Leben führen. In diese Zeit fällt die Szene des heutigen Evangeliums.
Die Familie Josefs feiert Pascha und begibt sich dazu nach Jerusalem. Soweit der Rahmen der Erzählung. In Jerusalem macht der pubertierende Jesus von sich reden. Er verschwindet im Gewühl der Pilgermenge aus den Blicken seiner Eltern, um sich in der Torahschule mit den Gelehrten des Tempels in theologischen Diskussionen zu messen. Und das offensichtlich sehr erfolgreich. Die Eltern Jesu erfasst die Panik und erst ganz am Ende der Begebenheit beginnt – zumindest – Maria zu verstehen, dass all das Sinn macht. Aber was für einen Sinn.
Mittendrin: Gott
Diese etwas chaotische Familie ist also die Heilige Familie – die Botschaft des Evangeliums erklärt uns immer wieder: Gott ist mit ihnen. Von Anfang an. Immer wieder teilt sich Gott mit – ganz zu Beginn in den Begegnungen Mariens mit dem Engel und ihrer Verwandten Elisabeth, dann in den Begegnungen an der Krippe, schliesslich in den Träumen des Josef. Und jetzt aus dem Mund des Gottessohnes selbst. Gott ist da – und er rüttelt kräftig am Nervensystem der Heiligen Familie. Wir sehen: Wo Gott ins Leben der Menschen tritt, da kann’s schon mal drunter und drüber gehen. Da wanken Ordnungen. Das kennen wir bereits aus vielen anderen Offenbarungsgeschichten der Hl. Schrift. Maria und Josef aber erfahren, dass dieses Einmischen Gottes in ihr Leben, dieses anscheinende Chaos nur einen einzigen Grund hat. Gott will sich einmischen in das Leben der Welt, in das Schicksal der Menschen. Wenn Gott daher kommt, ist das wohl oftmals nicht so wie ein freundlicher ruhiger Verwandtenbesuch am Weihnachtsfest.
Sein Einmischen bekommt in der Krippe zu Bethlehem ein Gesicht und hat einen Namen, der für immer nachklingen wird und der die Menschen prägen soll. Was sich in den Berufungen und Visionen der Propheten als Träume ankündigt, das vollendet sich nun in dieser Offenbarung Gottes. Die Familie erfährt, dass Gottes Wirken in ihrem Leben als ein Mensch mit einem Namen erscheinen soll und dieser Name ist Programm, – für Josef, für seine Verlobte bis zu uns in unsere Zeit: Immanuel – Gott mit uns.
Und jetzt?
Wenn Gott mit uns ist, dann hat das Konsequenzen. Wenn Gott mit uns ist, spielt das Woher und Wohin der Lebenswege der Menschen keine Rolle mehr, ist Lebendigkeit, was für andere chaotisch aussieht, verlieren die Fragen und Antworten hinsichtlich eines “richtigen Lebens” ihren Absolutheitsanspruch. Letzte Dreh-und Angelpunkte unseres Lebens sind nicht wir selbst mit unseren Haltungen und Ideen. Das zu glauben, zu erhoffen und spüren zu dürfen, entlastet, befreit – schenkt einen Vorgeschmack von Erlösung, wenn wir in unsere Zukunft schauen. Fällt unser Blick ins Hier und Jetzt, in unsere Gegenwart, lässt uns das Versprechen Gottes seines Mit-seins beruhigt und vertrauensvoll annehmen, was die vielfältige Realität der Welt uns bietet. Etwa: Traditionelle Formen von Partnerschaft und Familie, wie sie uns oft – die Vergangenheit glorifizierend und verzerrend und daher fälschlich – als einzig wahr und richtig vorgestellt werden, sowie auch eine “Ehe für alle”, Patchworkfamilien und andere Formen partnerschaftlicher und familiärer Beziehungen können Orte sein, wo Gottes Gegenwart aufscheint und seine Liebe zu den Menschen bezeugt wird. Eine Garantie dafür gibt es nirgends. Um Gott im Leben aufscheinen zu lassen, braucht es die ständige Reflexion und eine Offenheit des Herzens aller Beteiligten.
Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört? Doch sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen gesagt hatte. […] Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen.
Gott ist mit uns – und das manchmal an Stellen und zu Momenten, wo wir es gar nicht für möglich halten.
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