Auch das ist Ostern: Suchen und Fragen

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Zum 3. Sonntag der Osterzeit 2021 – Lesejahr B

Fragen kostet nichts

Der Zweifel hat Hochkonjunktur. Überall auf der Welt erheben sich nach Monaten der Geduld Menschen und melden ihre Bedenken an hinsichtlich der Art und Weise, wie mit der herrschenden Pandemie und den Folgen umgegangen wird. Auch in der Kirche gibt es Menschen mit solchen Haltungen – die Schweiz kennt sogar einen Bischof, der sich öffentlich als Corona- und Impfskeptiker zu erkennen gibt. Inzwischen ist hinlänglich – wenn auch nicht vollständig – bekannt, wie der Virus wirkt und was man dagegen tun kann. Auch die Aussicht auf die Wirkung der Impfung verheisst ja mal zuerst viel Gutes, so dass eine derart öffentlich zur Schau getragene Skepsis Andere weniger zum Nachdenken anregt sondern vielmehr fassungsloses Kopfschütteln auslöst. Skepsis, die im Zusammenhang mit der Pandemie, mit ihren Folgen und ihrer Bekämpfung zu tun hat, beruht nur zu oft weniger auf kritischer Reflexion und berechtigten Sorgen, sondern auf – durchaus ja verständlicher – Angst und Hilflosigkeit. Und allzu oft auch auf populistischen Ambitionen.

Wenn Stillstehen und Hinschauen Fortschritt meint

Aber dennoch ist der Zweifel, die Skepsis, ja gar keine schlechte Haltung, wenn sie von ehrlichem Forschen und Suchen nach Erkenntnis begleitet ist. Unsere Wissenschaften sind ohne den Zweifel nicht denkbar. Der Überzeugung, dass etwas doch geht, was andere für unmöglich halten, verdanken wir die Errungenschaften der Moderne. – Ich war verschiedene Male in der Stadt Dayton im amerikanischen Bundesstaat Ohio, wo zwei Velohändler, die Gebrüder Wright, sich sicher waren, dass der Menschen fliegen kann. Derweil ihre Umgebung sie immer wissen liess: Ihr spinnt!, haben sie den Antrieb eines Velos solange in Gebilde von teils sehr eigenartiger Gestalt eingebaut, bis sie mit einem solchen Gerät schliesslich von der Erde abhoben. Gegen jegliche Vorstellungen der damaligen Zeit konnte der Mensch plötzlich fliegen. Was für uns heute völlig normal ist, war damals ein Ansinnen gegen jegliche Vernunft.

Machen die alles kaputt?

So eine skeptische Haltung prägt auch das heutige Evangelium. Wie schon am vergangenen Sonntag. Im Lesejahr B nimmt der Zweifel in der Verkündigung in der Osterzeit eine herausragende Rolle ein. Der Zweifel prägt aber nicht einen wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, sondern viel mehr. – Alle sind eigentlich hingegeben in die Freude. Ein Teil dieser Freude ist auch, dass sie den Mut haben an die Auferstehung zu glauben. Erinnern wir uns an die Ostergeschichten: Der Auferstandene begegnet verschiedensten Menschen und sie alle spüren, wie der Auferstehungsglaube tatsächlich stimmig ist – sie alle freuen sich, nun endlich erkennen zu können, was Jesus die ganze Zeit, in der er mit ihnen zusammen war, eigentlich meinte.

Jetzt aber, wo es konkret wird, wo Jesus in ihre Mitte tritt, anfassbar, wo er gegenwärtig wird für alle, da kippen die Jünger plötzlich um und der Zweifel überkommt sie massiv. Es ist, als ob die Auferstehungsfreude einfach in sich zu einem Nichts zusammensackt. Es ist, als wären es nicht die Tage nach dem Ostermorgen, sondern immer noch der dunkle Karfreitag. – Aber kennen wir das nicht auch? Diesen Freudentaumel, dieses schöne religiöse Feeling, provoziert durch eingehende Musik und wunderschöne Liturgien der Kirche? Aber wenn uns jemand fragt: Was ist es denn eigentlich, was du glaubst?, kommen wir gewaltig ins Schwimmen.

Geduld haben mit sich selbst und dem eigenen Tempo

Das macht aber nichts. Das gehört in Gottes Konzept von Auferstehung. Im heutigen Evangelium hörten wir, wie Jesus in unendlicher Geduld den Zweifel und das beklemmende Gefühl der Jüngerschar sehr ernst nimmt. Als er in die Mitte der Freunde tritt, nimmt er es wahr, er nimmt den Zweifel auf und begegnet ihm. Wir hörten: Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften. Der Jüngerkreis, auf den Jesus im heutigen Evangelium trifft, ist nicht die einzige Schar, bei der Jesus so vorgeht. Erinnern wir uns an die zwei Männer auf dem Weg nach Emmaus, die ebenso völlig gefangen waren in ihren Zweifeln und in ihrer Trauer. In der Emmaus-Perikope heisst: Jesus legt ihnen dar, ausgehend von Mose und den Propheten, was über ihn in den Schriften geschrieben steht. – Der Zweifel, das Nicht-Verstehen ist ein bedeutsamer Teil des Auferstehungsglauben – von Anfang an. Die Begebenheiten von denen wir in diesen Tagen hören, in denen Jesus den Menschen klar macht, machen uns deutlich, wie wichtig dieses Aufschlüsseln der Glaubensgeheimnisse ist. Zuerst muss das Herz in Begeisterung versetzt werden – ganz ohne Zweifel: Brannte uns nicht das Herz in der Brust?, sagen die zwei Emmaus-Jünger zueinander. Aber dann braucht es auch das Hineintauchen in die Bedeutung des Geheimnisses. Die beiden Lesungen aus dem Neuen Testament, die wir vor dem Evangelium gehört haben, sind solche Katechesen. Sie schlüsseln für die Zuhörerschaft das Geheimnis der Auferstehung auf und helfen auf dem Weg von der Begeisterung im Herzen zum Verständnis im Kopf. Es braucht beides.

Der Zweifel ist Nahrung der Erkenntnis

Wenn das Herz in der Brust nicht brennt, bleibt der Glaube eine akademische Übung, eine intellektuelle Reflexion und ist damit ziemlich tot. Wenn nur das Herz brennt und die Reflexion ausbleibt, droht der Glaube zum Strohfeuer zu werden, das rasch auflodert und bald wieder erlischt. In allen Kirchen finden wird immer mehr Gruppierungen, die oftmals eher wie solch kurze Stichflammen und weniger wie lodernde Feuer des Glaubens daherkommen.

Die Reflexion dessen, was der Glaube uns ins Herz gepflanzt hat, bleibt eine lebenslange Übung. Es ist gut, dass wir bei den Kindern in der Katechese damit anfangen, aber auch jeder Erwachsene, der dem Religionsunterricht entwachsen ist, sollte da dranbleiben. Denn unser Glaube entwickelt sich in uns weiter – wie unser ganzes Leben. Und dieses Wachstum braucht Nahrung. Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften, heisst es im Evangelium. Das war nicht nur gut für den Kreis der zweifelnden Jünger – das ist auch gut für uns.

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