Ostern: Gottes Aufstand in den Herzen der Menschen

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Zum Ostersonntag 2021 – Lesejahr B


Aufstehen gegen das Leiden in der Welt

Burma – Syrien – Libanon – so viele andere Ort der Welt: Ungerechtigkeit und Willkür bestimmen das Leben und Leiden der Menschen. Viele sind nicht mehr bereit, das einfach so hinzunehmen. Sie erheben sich, wenden sich gegen die herrschenden Zustände. Oftmals mit schlimmsten Folgen. Aber was bleibt den Menschen, wenn von all dem, was gutes Lebens ermöglicht, nichts mehr ist und bleibt. Zurecht sehen wir diese Aufstände mit all ihrer Gewalt kritisch, aber aus dem bequemen Fernsehsessel heraus lässt sich irgendwie auch gut reden.
Auch in der Kirche schreiten immer wieder Menschen ein gegen Prozesse, die ihnen bar jeder Vernunft und Logik erscheinen. Sie fordern Verantwortliche heraus und fordern auf zu transparentem und ehrlichem Reden und Handeln. Und sie machen damit deutlich: Die Zeit, in der Getaufte einfach wortlos schlucken, was kirchliche Autoritäten vermitteln, geht mehr und mehr dem Ende entgegen. Selbst kirchliche Autoritäten stellen sich mittlerweile in ein kritisches Verhältnis zu dem, was die Kirche als Ganze oftmals kritiklos vermittelt, und ermutigen so auch Andere zu christlicher Mündigkeit.

Gottes Aufstand

Als ich von all diesen Ereignissen in der Zeit und schliesslich kurz vor den Osterfeierlichkeiten gelesen habe, kam mir ein Text des Neuen Geistlichen Liedguts aus dem Jahr 1980 in den Sinn. Darin heisst es:
Lieder für den Aufbruch singen, wo die Wand sich in Schweigen hüllt. Alte Grenzen überspringen, wo ein Traum nicht den Hunger stillt.
Das tönt nach Revolution. Irgendwie. Nur: Dieses Lied ist kein Revolutionslied – ganz und gar nicht – dieses Lied singt von: Ostern. Ostern als Aufstand? In der ersten Zeile des zitierten Liedes heisst es:
Aufstand gegen Sterben üben, wenn das Leben in Ohnmacht fällt.

Ja, in seiner Auferstehung führt Jesus selbst den Aufstand an gegen Tod als das Ende alles Lebendigen. Und er lässt uns wissen: Gott ist Herr über Leben und Tod – nichts und niemand sonst. Und alle, die ihm folgen, sind in diesen Aufstand gegen den Tod mit hineingenommen: Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, so schreibt Paulus an die Gemeinde in Kolossä, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit. Eine Ungeheuerlichkeit, die nicht nur alles Logische überrumpelt, sondern genauso auch alle Erfahrungen der Menschen bis zu dieser Auferstehung Jesu. Und anders als bei so manchem Aufstand der Menschen profitieren hier nicht einige oder sogar nur wenige, sondern alle.

Frauenpower

So ein bisschen Aufstand war da übrigens auch schon ganz gut sichtbar und spürbar am leeren Grab. Haben Sie’s herausgehört? – Da war die Erzählung von den zwei Ältesten der Jüngergemeinde, von Simon Petrus und dem anderen Jünger, die auf die erschreckte Nachricht der Maria Magdalena zum Grab laufen, schauen, aber nicht weiter viel erkennen. Der Schrittext sagt am Ende über die beiden: Sie sahen und glaubten. Maria, die zunächst gleichsam den Notruf gewählt hatte und die dann aber ein Urteil über die Situation nicht den beiden Freunden überlassen wollte, nähert sich der Situation eingehender an. Zunächst gibt sie sich ihrer Trauer hin. Wir hörten: Sie weinte. Dann begibt sie sich in die Situation hinein, begegnet den zwei Engeln und mit deren Hilfe sogar Jesus, dem Auferstandenen, selbst. Weil sie ausharrt in ihrem Glauben, in ihren Überzeugungen und in ihrer Hoffnung und dran bleibt und sich von den Ältesten der Jüngerschar nichts sagen lässt, wird sie die erste, die den Auferstandenen erlebt, und damit zur ersten Zeugin der Auferstehung. Maria, eine Frau, die sich durchsetzt. – Ja, die Zuwendung Gottes im Auferstehungsgeschehen muss auch für unser menschliches Zusammenleben in allen Bereichen Konsequenzen haben, muss nachhaltig sein, schon was Revolutionäres bedeuten.

Er geht euch voran – nicht nur nach Galiläa

Im Ereignis der Auferstehung seines Sohnes verrückt Gott die Massstäbe und Umstände des Lebens. Die ganze Verkündigung dieser Ostertage macht uns deutlich: Gott bringt die Menschen an ihre Grenzen und manchmal auch ein Stückchen darüber hinaus.
Für uns Menschen ist daher dieses Heilshandeln Gottes zugleich ein Geschenk wie auch eine Herausforderung. Gott bietet uns in der Auferstehung Jesu die Erneuerung seines Bundes in einer qualitativ einzigartigen Weise an. Leben sollen wir haben über den Tod hinaus.
Gleichzeitig wird überdeutlich klar: Wenn der Mensch dachte, er könne sich selbst mit hausgemachten Aufstände gänzlich aus den Ketten dieser Welt befreien und erlösen, muss er im Licht des Ostermorgens merken, welch ein Irrtum hier herrscht.

Gehen wir mit

Wenn Gott neue Massstäbe für das Leben setzt, kann uns das nicht unbeeindruckt lassen. Wir sollen diese Welt in einem anderen Licht sehen – eben im Licht der Auferstehung. Wir können uns nicht selbst erlösen, aber wir müssen auch nicht – Gott tut das schon. Ostern stört daher auch gleichwie Aufständische gesellschaftliche Routinen stören. Aber Ostern macht eben auch deutlich: Unser Leben kann ganz anders gedacht, erlebt und erfahren werden, als es in unseren Vorstellungen passiert. Bei allen Sicherheiten, an die wir glauben, gibt es eben auch das Unberechenbare, das Unmögliche, das in den Händen Gottes liegt. Wir dürfen loslassen, woran wir uns stets ängstlich klammern, weil wir uns eh ja nicht selber halten können.

In der Verkündigung an diesem Osterfest hören wir immer wieder von Menschen, die herausgerissen werden aus ihren Lebensbahnen: angefangen in der vergangenen Nacht mit den Menschen des Alten Testamentes, in deren Leben Gott eingegriffen hat, über die Männer am Grab, über Maria, die sich nichts vormachen lässt, bis hin morgen zu den zwei Männern auf dem Weg nach Emmaus, die der Auferstandene vom geplanten Weg abbringt: Sie alle zeigen uns, wie heilbringend und lebensstiftend es sein kann, sich von diesem Gott unseres Lebens verstören zu lassen. Lassen wir uns durch Ostern anrühren, wachrütteln, von gewohnten Wegen und aus alten Routinen abbringen. In diesem Sinne: Frohe Ostern!

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