Ruhe im Dom?!

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Zum 20. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A

Ein exklusiver Club?

Exquisit, exklusiv, elitär – das also ist die Grundidee unseres christlichen Glaubens, wie Jesus sie heute den Menschen vermittelt. Erst schicken Jesu Jünger diese Bittstellerin weg, dann legt Jesus selbst noch nach und sagt der Kanaanäerin ins Gesicht: “Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt”. Topographisch lassen sich das Land Kanaan der biblischen Zeit und Israel nicht genau trennen, kulturell hingegen schon: Mit jenen aus dem Land Kanaan waren alle gemeint, die nicht dem Glauben an Jahwe folgten. Einer solchen Fremden in Not erteilt Jesus nun also erst einmal eine grobe Abfuhr: “Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen.” Bei der Frau aber ist weder Enttäuschung, Entsetzen oder sonst ein negatives Gefühl zu erfahren. Sie bleibt einfach hartnäckig. Die Begegnung, von der wir gerade hörten, erinnert so ein wenig an den Umgang mit der Frau aus Samarien am Brunnen des Jakobs. Auch sie muss recht arbeiten, dass die Beziehung zu Jesus nicht abbricht.

Der Glaube macht’s

Exquisit, exklusiv, elitär – man kann die Haltung Jesu und seiner Jünger durchaus so interpretieren. Jesus will aber eine andere Haltung deutlich machen. Wenn auch seine Jünger wohl durchaus genervt waren von der Fremden und ihrem Anliegen, hatte Jesus im Kontakt mit ihr eine andere Absicht. Wie schon der Evangelist Johannes in der Erzählung von der Frau am Jakobsbrunnen, macht der Evangelist Matthäus in dieser Erzählung klar, dass der Gottessohn nicht ausschließen sondern einladen und einbeziehen will. Zwar stellt er die Frau noch einen Moment lang auf die Probe, dann aber schaut er über alles, was die zwei trennt, hinweg und lässt sie wissen: “Dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst. – Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.” Jesus schickt sie nicht weg, er macht keine Triage, es gibt kein Ranking innerhalb derer, die Heil erleben dürfen. Wer auf das Heil Gottes setzt, darf es erfahren. Und noch eine Kleinigkeit haben wir schnell überhört, die aber wesentlich ist. Wie schon im Anfang des Matthäusevangeliums die drei Könige, so setzt die Frau ihre Hoffnungen wohl auf den Gottessohn, aber wir hören nicht, dass sie ihm weiter folgt, dass sie zu seiner Jüngerin wird. Gleich wie die drei Könige: Sie sind einfach wieder heimgekehrt.

Offen für alle

Die Botschaft des Evangelisten Matthäus ist deutlich: Exquisit, exklusiv, elitär – das ist alles andere als ein Merkmal der christlichen Idee. Wer auf diesen Gottessohn und seine Botschaft setzt, wird nicht gefragt, woher er kommt. Und: Er wird auch nicht gefragt, wohin er will. Die Botschaft Jesu ist universal – das Wort von der Freiheit der Kinder Gottes ist wirklich ernst gemeint.

Und jetzt wird es herausfordernd. Schon Jesu Jünger haben sich damit recht schwer getan. “Schick sie fort, denn sie schreit hinter uns her!”, – man kann ja verstehen, dass die von Jesus eingeforderte Flexibilität stresst. Aber der Anspruch Jesu an seine Freunde steht nicht zur Diskussion.
Dasselbe gilt für den Anspruch Jesu an seine Nachfolgegemeinschaft heute, die Kirche.

Zu viel Herausforderung?

Schon der Prophet Jesaja ruft den Fremden zu: “Wahrt das Recht und übt Gerechtigkeit, denn bald kommt mein Heil und meine Gerechtigkeit wird sich bald offenbaren!”. Die Erfahrung des Wirken Gottes erschloss sich zu allen Zeiten und erschließt sich bis heute zuerst einmal dann, wenn Menschen miteinander menschlich umgehen. Da spielt es eben keine Rolle, woher jemand kommt, welche religiöse Traditionen jemand mitbringt. Die Jünger Jesu und auch wir können vom Beispiel des Gottessohnes lernen: Inklusion ist keine Erfindung jüngster Generationen, sondern ein typisches Merkmal der jüdisch-christlichen Religion. – Eigentlich. Wie weit die Realität dem theoretischen Anspruch hinterherhinkt, wissen wir.

Ein kleiner Trost ist: Der Anspruch Jesu hat auch schon zu Zeiten der frühen Kirche und nicht nur heute die Menschen nervös gemacht. Der Völkerapostel Paulus hat in seiner Missionszeit vor allem versucht zu trennen: Männer von Frauen, Christen von Heiden. – Wir hören das in seinen Briefen sehr gut heraus. Man kann die Angst des Paulus und sein Streben nach klarer Ordnung ja durchaus verstehen: Die Kirche befand sich am Anfang, und was sollte aus ihr denn werden, wenn man sie einfach machen ließe. Und so ließ Paulus die Menschen wissen, was geht und was nicht.

Die Unsicherheit annehmen

Die paulinische Unsicherheit angesichts der Frage, was der Geist Gottes unter den Menschen anrichten könnte, ist geblieben – bis in unsere Tage. Auch heute noch sehen viele die Kirche wie an ihrem Anfang und haben große Angst, was denn wohl passieren würde, wenn man diesem unseren Gott tief vertrauen und die Kirche einfach mal laufen ließe. Viele mit Verantwortung in der Kirche schweigen, verweisen auf beschränkte Machtbefugnisse oder mangelnde dogmatische Möglichkeiten, wenn es um brennende Fragen geht, die vor allem die Umgebung unserer hiesigen Kulturen den Kirchen stellt. Fragen wie: Wie zum einen gehen wir um mit Patchworkfamilien? Zum anderen ist in denen dann auch noch oftmals die Frage nach dem kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zu klären? Was ist nun mit der Rolle der Frauen in der Kirche? Was ist nun mit gleichgeschlechtlich Liebenden in der Kirche?

Im Umgang mit der kanaanäischen Frau, die aus einer anderen Umgebungskultur als Jesus und seine Begleiter stammt, bringt Jesus die Situation nach Diskussion und Abwägen zu einem klaren Ende: “Dein Glaube hat dir geholfen”. Und er befreit die Frau von dem, was sie belastete, nämlich die Krankheit der Tochter.

Wie würde der Gottessohn heute auf all jene reagieren, die ihn mit den vorhin genannten Fragen behelligen würden? Und wie würden dann all jene reagieren, die heute in der Rolle der Jünger von damals sind, die stetig und immer lauter rufen: “Schick sie fort?” Als Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu Christi müssen wir uns heute ganz genauso wie die Jünger zur Zeit Jesu fragen: Können wir die brennenden Fragen der Zeit von uns weisen, die Fragenden wegschicken? Und: Worauf kommt es dann am Ende eigentlich an? Auf die sprichwörtliche Ruhe im Dom oder auf das mächtige Wirken des Heiligen Geistes, an den wir doch glauben?

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