Auferstehung – Ist alles schon gesagt?
Was predigen
Letztens hatte ich mit einem Kollegen im Pfarrhaus ein kurzes Gespräch zwischen Tür und Angel. Ich müsste mich mal langsam um meine Osterpredigt kümmern, meinte ich. Und im Folgenden fiel dann dieser Satz: Tja, was kann man denn über Ostern noch Neues sagen, ist über Auferstehung nicht irgendwie alles gesagt?
– Ist über Auferstehung nicht alles gesagt? Wer auf eine längere religiöse Biographie zurückschauen kann, hat schon so manche Osterpredigt gehört. Erbauliches und vielleicht auch weniger Erbauliches war vermutlich dabei. Und jetzt: Ist alles schon gesagt? Vielleicht ist das die falsche Frage. Vielleicht geht es an Ostern viel weniger um das, was gesagt wird. Vielleicht ist Auferstehung genau das, was sich halt nicht in Worte fassen lässt. Genau das, über das gar nicht alles schon gesagt sein kann – weil eben am Ende Worte versagen.
Die grosse Stille
Vielleicht geben die vergangenen Kartage ein paar Hinweise zu diesen Gedanken. Schauen wir zunächst auf den Palmsonntag. Hosianna rufen sie, mit Jubel begleitet die Menschenmenge den Gottessohn in die Stadt, in der sein persönliches Schicksal seinem absoluten Tiefpunkt wie auch das Heilsschicksal der Menschheit seinem Höhepunkt entgegengehen soll. Und Jesus? – Er schweigt. Dann, als zu Beginn des Österlichen Triduums Jesus von seinen Freunden Abschied nimmt und ihnen sein Testament hinterlässt, da erklärt Jesus dem innersten Kreis dieser Freunde, worum es geht – Johannes gibt das in eindrücklicher Weise in den Abschiedsreden Jesu wieder. Danach aber vergehen die Worte wieder. Beim Prozess vor Pilatus ist Verteidigung eh nutzlos, auf seinem letzten Gang zum Kreuz auf Golgatha hat Jesus für die ihm Nächsten nur noch das Notwendigste übrig – mit einem letzten Schrei endet Jesu irdischer Weg. Was gibt es danach noch zu sagen. Ist denn nicht wirklich alles gesagt?
Nach Jesu Tod Grabesstille. Am Morgen schliesslich kommen die Jünger und die Frauen zum Grab, finden den Leichnam nicht und sind einmal mehr schwerst erschüttert. Dann aber diese Begegnungen. Nachrichten machen die Runde – etwas verworren und merkwürdig. Deutliche Worte hören sich anders an. Was gibt’s denn auch zu sagen? Allmählich breitet sich aber ein Gefühl aus, dass etwas anders ist als bei den Kreuzigungen zuvor. Aber es dauert noch eine Weile, bis all dies zur Gewissheit, zur Heilsgewissheit wird. Was kann man dazu schon sagen?
Unsere engen Gremzen
Wir sehen an diesem Osterfest einmal mehr, wie unzulänglich und begrenzt unser menschliches Ausdrucksvermögen ist, wenn es gilt, Unfassbares zu sagen. Es ist ja immer dasselbe – bei abgrundtiefer Trauer, bei himmelhochjauchzender Freude: Passende Worte finden sich oft nur schwerlich. Und was soll man erst recht dann auch sagen, wenn es um es eine Erfahrung geht, die alles bislang Dagewesene übersteigt? Wie fasst man also Auferstehung umfassend und treffsicher in Worte?
Vielleicht aber ist es genau das: Hier verschleiern Worte mehr, als dass sie ent–decken. Vielleicht ist es gerade heute an Ostern besonders an der Zeit, sich Auferstehung eher wortlos zu nähern – weil Worte einfach nicht mehr weiterführen.
Fragen wir lieber an diesem Osterfest: Was sind es für Erfahrungen von Auferstehung, die in uns schwingen und uns berühren? Nur: Was sind österliche Erfahrungen? Wie macht man die Erfahrung von Auferstehung? Was soll das sein?
Auferstehung erfahren
Schauen wir einmal auf diese Erfahrung, die uns am nächsten ist: Dass Ostern ein Fest ist, das wir am Ende des Winters im aufkommenden Frühling feiern, ist kein Zufall. Zum einen ist der Termin wohl abhängig vom jüdischen Pessachfest – aber auch genau zu dieser Zeit bietet die Natur, die Grundlage unseres Lebens, Auferstehungserfahrungen in Hülle und Fülle, ohne dass es des Erlebens eines leeren Grabes und eines weggerollten Steines jetzt und hier bedarf. Schaut man sich also draussen in der Natur um, dann können wir sehen, wie die Leblosigkeit der kalten Jahreszeit einem allmählichen Erwachen und Neuanfang weicht. Auch das ist Auferstehungserfahrung.
Oder ganz anders: Wenn Menschen nach langem Leiden oder anderer grosser Not Linderung oder Besserung erfahren, ist das Auferstehungserfahrung. Wenn nach Hass, Streit oder gar Krieg, Menschen einander die Hände zur Versöhnung reichen und deutlich machen, dass die Überwindung alles Bösen wider Erwarten doch möglich ist – ja, da ist wahrlich Auferstehungserfahrung. Oder wie ist das, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickt und mit Hand und Fuss Zeugnis gibt von neuem Leben? – Das Osterfest lässt uns wohl genau hinschauen, es macht es uns in Sachen Wahrnehmung nicht ganz einfach: Im Gegensatz zum theologisch ja eher nachgeordneten Weihnachtsfest mit all seinem Lichterglanz und seinem spektakulärem Daherkommen, scheint Ostern zunächst einmal viel weniger glanzvoll auf – ein leeres Grab, ein weggerollter Stein. Aber eben in diesem Minimalismus ist die ganze sprichwörtliche Fülle der Herrlichkeit angelegt.
In dem Wenigen, dass die Erzählungen von der Auferstehung mitteilen, stecken alle Erfahrungen von Auferstehung drin. Darum ist vielleicht schnell über Auferstehung alles gesagt, aber die Möglichkeiten von Auferstehungserfahrungen sind endlos. Und es reicht sodann auch wenig, um alles Heil zu be-deuten: Nach leerem Grab und weggerolltem Stein ist es später eine Handvoll Wasser, die Teilhabe an der Nachfolge Jesu meint; ist es ein Stück Brot und ein Schluck Wein, die seine Gegenwart hier und heute realisieren; ist es eine Spur von gutem Öl, die Heil und Heilung vermittelt.
An uns ist es nun, bereit zu sein, diese Auferstehungserfahrungen in unser Leben auch einzulassen. Einlassen zu wollen. Bereit zu sein. Oder wie hat es der deutsche Jesuit Klaus Mertes einmal gesagt: Wer an Gott glaubt, aber nicht an die Auferstehung, also die Überwindung des finalen Sinnvernichters von allem und jedem, der verpasst das Beste.
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