St. Stephanus – so oder doch anders?

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Zum Stephanustag


Zeugnis für Christus – todsicher?

Wenn der zweite Weihnachtstag nicht gerade auf einen Sonntag fällt – wie im vergangenen Jahr -, dann konfrontiert uns die Verkündigung an diesem Festtag mit dem Martyrium des Christus-Zeugen und Diakons Stephanus. Seine Geschichte liegt irgendwie quer zur Stimmungslage der Weihnachtszeit. Von heimelig und schön kann hier keine Rede sein. Stephanus macht deutlich, wie fordernd es sein kann, sich zu Christus zu bekennen. Und der Evangelist Matthäus hat solche Entwicklungen für die christliche Religion klar im Blick, wenn er schreibt: Sie werden euch an die Gerichte ausliefern und in ihren Synagogen auspeitschen. Ihr werdet um meinetwillen vor Statthalter und Könige geführt werden […] Der Bruder wird den Bruder dem Tod ausliefern und der Vater das Kind und Kinder werden sich gegen die Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden.

Wir sind im Jahr 2022

Mit den gehörten Versen aus dem Matthäus-Evangelium wird oftmals die Opferrolle von Christinnen und Christen bis hin in unsere Zeit begründet. Wo immer Christinnen und Christen für ihren Glauben verfolgt und ermordet werden, sind sie Opfer christenfeindlichen Verhaltens ihrer Umwelt. Wer mit der Heilsbotschaft Jesu Christi im Leben unterwegs ist, schwimmt derart gegen den Strom, dass er per se provoziert – so die Botschaft des Matthäus. Das Hilfswerk Kirche in Not hat vor einigen Jahren die Red Week, die Blutrote Woche zur Erinnerung an verfolgte Christinnen und Christen in aller Welt ins Leben gerufen, die jeweils im November stattfindet. Die Pfarreien sind eingeladen, während dieser Woche ihre Kirchen mit rotem Licht anzustrahlen. Kirche-in-Not-Geschäftsführer Jan Probst hat dazu gesagt: Hunderte Millionen Christen leben rund um den Erdball in einem Umfeld, in dem sie gewaltsam verfolgt, diskriminiert oder an der freien Ausübung ihres Glaubens gehindert werden. Das ist leider nur zu korrekt. Allerdings übersieht Kirche in Not dabei, dass in unserer Zeit Christinnen und Christen nicht nur Verfolgte sondern auch Verfolger sind. Gerade auf dem afrikanischen Kontinent in Ländern wie etwa dem Kongo klebt Blut selbst an den Händen von Priestern und Ordensfrauen. Anderen Ortes diskriminieren Vertreterinnen und Vertreter der Kirchen gesellschaftliche Minderheiten unblutig aber nicht weniger schrecklich. Heutzutage in Sachen Verfolgung und Diskriminierung einseitig Schuldzuweisungen zu treffen, ist daher also ein delikates Unterfangen. Die religiöse Landschaft dieser Welt hat sich seit den Zeiten des Evangelisten Matthäus dramatisch verändert. Das Christentum ist nicht mehr eine kleine Minderheit innerhalb der jüdischen Gesellschaft, sondern eine von verschiedenen Weltreligionen und damit auch in besonderer Weise verantwortlich für den religiösen Frieden in der Welt. Und diese Verantwortung lässt nicht nur mit dem Finger auf andere Täter zeigen, sondern hält auch einen Spiegel vor.

Auf Franziskus hören

Im Jahr 2019 feierten vor allem die Mitglieder der franziskanischen Ordensfamilie den 800. Jahrestag der Begegnung zwischen dem hl. Franziskus und dem ägyptischen Sultan Malik al-Kamil. Dieses Jubiläum war dann auch der Anlass zur Begegnung von Papst Franziskus und dem Direktor der Kairoer al-Azhar-Universität, Sheik Ahmad al-Tayyib, in der emiratischen Hauptstadt Abu Dhabi im Februar 2020. Dort unterschrieben Papst und Islamgelehrter ein interreligiöses Dokument, dass dann einige Monate später Grundlage war zur päpstlichen Enzyklika “Fratelli tutti” vom Oktober 2020. Papst Franziskus schreibt in dieser Enzyklika: 271. Ausgehend von der Wertschätzung jedes Menschen als Geschöpf mit der Berufung zur Gotteskindschaft, leisten die verschiedenen Religionen einen wertvollen Beitrag zum Aufbau von Geschwisterlichkeit und zur Verteidigung der Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Der Dialog zwischen Menschen verschiedener Religionen findet nicht nur aus Diplomatie, Freundlichkeit oder Toleranz statt. So schreiben die Bischöfe Indiens: »Das Ziel des Dialogs ist es, Freundschaft, Frieden und Harmonie zu begründen sowie moralische und spirituelle Werte und Erfahrungen in einem Geist der Wahrheit und Liebe zu teilen«. Franziskus macht sich die Erfahrungen der Kirchenvertreter des indischen Subkontinents zu eigen und macht sie allen Menschen schmackhaft, die Bereitschaft zum versöhnenden Dialog zwischen den Religionen zeigen. Fraglos: Einfach ist dieses interreligiöse Friedensvorhaben nicht – gerade die indischen Bischöfe wissen das nur zu gut. Und der Papst teilt dieses Wissen. Aber Papst Franziskus macht mit seinem Engagement in Abu Dhabi wie auch in seiner Enzyklika sowie in vielen Statements zum interreligiösen Dialog deutlich: Es braucht den Einsatz für diesen Frieden. Heute in einer globalisierten Welt mehr denn je.

Wie und wie besser nicht?

Was sagt uns der Tagesheilige Stephanus an diesem Weihnachtfest dazu? Schauen wir auf sein Auftreten, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben ist, dann würden wir heute dazu vielleicht sagen: “Er hat klare Kante gezeigt.” Er hat sich in theologische Streitereien hineinziehen lassen und hat da rhetorisch und argumentativ brilliert. Es gab den einen, der am Ende Recht hatte, und jene, die unterlegen sind. Und die haben sich dann bös gerächt. Eine Konfliktsituation, wie sie es auch in unseren Tagen immer wieder gibt. – Es hätte ja auch anders gehen können. Etwa hätte Stephanus herausfinden können, was es braucht, dass die anderen seine Position verstehen. Vielleicht war das nicht mehr möglich – wir kennen die Umstände des Konflikts nicht. Aber das Szenario, was Matthäus im Evangelium beschreibt: Der Bruder wird den Bruder dem Tod ausliefern und der Vater das Kind und Kinder werden sich gegen die Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken – lässt sich mal grundsätzlich vermeiden, wenn ich mich nach demjenigen, der anders glaubt als ich, nach dem, der meinen Glauben nicht verstehen kann, erkundige, zu einem solche Menschen eine Brücke schlage, eine Beziehung aufbaue. So geht jeglicher Dialog zwischen unterschiedlichen Positionen, so geht auch der ökumenische Dialog und erst recht der interreligiöse Disput. In Abu Dhabi vor drei Jahren hat Papst Franziskus das glanzvoll vorgemacht.

Frieden beginnt beim Nachbarn

Lassen wir uns an diesem Festtag vom Schicksalsbeispiel des hl. Stephanus nicht erschrecken. Erkennen wir, dass es in den Auseinandersetzungen in Glaubensfragen – innerkatholisch, ökumenisch, interreligiös – eigentlich keine Märtyrer braucht. Es kommt eben drauf an, wie man es miteinander angeht. Und das gilt nicht nur für das Gespräch zwischen einem Papst und einem Islamgelehrten, sondern auch für den Dialog zwischen der katholischen Ortspfarrei und ihrer evangelischen Schwestergemeinde und mit den abrahamitischen Nachbarn, mit der islamischen Moscheegemeinde und der jüdischen Synagoge.

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