Was hab’ ich davon? – oder: Warum der Glaube sich nicht lohnt
Zum 3. Sonntag der Fastenzeit – Lesejahr C
Bald ist deine Zeit um
Als Autofahrer kennt man diese Situation. Man fährt durch eine Kommune und blickt irgendwann einmal auf eine Leuchttafel, die einem in grellen Leuchtziffern die eigene aktuelle Geschwindigkeit entgegen hält. Wer jetzt nichts Böses denkt, kann irgendwann einmal bös überrascht werden. Denn mit grosser Wahrscheinlichkeit wird hier die örtliche Polizei in nächster Zeit eine mobile Radarfalle aufstellen – und zumindest die Anwohnerschaft kann dann nicht behaupten, es habe ja niemand was gewusst. Eine Gnadenfrist nennt man so was. Und es liegt an den Betroffenen, sie in rechter Weise zu nutzen.
Von einer solchen Gnadenfist ist auch im heutigen Evangelium die Rede. Der Evangelist Lukas sieht sich zu seiner Zeit – also im 1. christlichen Jahrhundert – mit dem Umstand konfrontiert, dass der auferstandene Christus nicht in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Gegenwart wiederkommen wird. Also setzt sich der Evangelist intensiv mit der Frage auseinander: Wann dann? Und vor allem: Wie wird das sein? Wenn die Frage nach dem Zeitpunkt des Wiederkommens Christi Wahrsagerei gleicht, so hat doch der Evangelist zur Frage nach dem ‘wie’ klare Vorstellungen. Die Zeit bis dahin sieht er als eine Gnadenzeit für das Menschengeschlecht – dann folgt schliesslich das Gericht. Im Gericht, so die Vorstellung des Evangelisten, wird ‘umgehauen’, was verdorben oder unnütz ist – um im Bild vom Weinbauern zu bleiben.
Von einem Gott, der Buch führt
Ein Bild, dessen Heftigkeit man nicht einfach so überhören oder überlesen kann. Ein Bild, das nachhallt und aufrüttelt. Ein Gott wie im Märchen vom Aschenputtel: “die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen…” Und das nicht nur erst zum endzeitlichen Gericht – der Evangelist lässt uns wissen, dass Gottes Gericht immer schon waltete: etwa eben auch an jenen, die den Auszug aus Ägypten nicht überlebt haben – aus der Sicht des Lukas war schon das ein Strafzug Gottes. Wo bleibt da nun unsere Vorstellung von einem Gott, der sich erbarmend und voll Sympathie seiner ganzen Schöpfung zu wendet, auch jenem Teil, der fehlerhaft ist und versagt hat? Und: Trifft denn die Vorstellung von einem Buchhalter-Gott, der am Ende der Zeiten abrechnet, tatsächlich zu für einen Gott, der seinen Sohn aus dem Tod rettet und auferweckt? Ist nicht dieser Gott vielmehr der Gott des Evangeliums, der Frohen Botschaft?
Gott passiert ja doch nicht
Das Bild vom richtenden Gott im Alten wie auch im Neuen Testament kann man sehr gut nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass diese Vorstellungen vor allem einmal im Kampf um Anerkennung der jüdischen wie der christlichen Religion entstanden. Die Bedeutung des Gerichts erschliesst sich dann gleichsam von selbst. Die Aussage an jene, die vom Glauben überzeugt werden sollten, war eindeutig: Glaube und folge unserem Gott und du wirst leben – oder wende dich ab von unserem Gott und du weisst, worauf dein Unglück beruht. Eine Idee, die in einer heutigen Welt aus verschiedenen Gründen kaum mehr trägt. Zum einen erleben wir, dass viele Menschen fernab von Religionen ein gutes und erfülltes Leben führen. Auch wer nicht glaubt, kann anscheinend leben.
Zudem gehen wir den Phänomenen unserer Zeit immer weiter auf den Grund – somit wird das Leben auch in seinen dunklen Façetten immer mehr erklärbar. Und selbst die Phänomene des Ungewissen nennen wir doch in den allerwenigsten Fällen Gottes Strafe, sondern eher ‘Schicksalsschläge’, ‘Vorsehung’ oder ähnlich.
Spätestens mit den Greuel der Kriegsverbrechen des 20. Jahrhunderts ist die Idee vom Gericht Gottes auf den Kopf gestellt worden: Denn wofür sollten Abertausende ermordete unschuldige Kinder, die noch gar nicht glauben konnten, von Gott bestraft werden? Was da passiert ist, kann nicht Gericht Gottes gewesen sein.
Es bleibt: Allein um die Ernte eines guten Lebens einfahren zu können, lohnt sich der Glaube nicht. Das Strafen Gottes ist kein Grund, um in die Nachfolge Jesu einzutreten und so das Leben zu retten. Zu viele gerechte Menschen von alters her bis heute, die leiden mussten, obwohl sie gut waren, machen uns vor, dass die Logik vom Gericht Gottes nicht aufgeht. Und: Voller Entsetzen müssen wir ja auch immer wieder feststellen, dass richtig böse Menschen gut leben können. Wo bleibt denn auch da das gerechte Gericht Gottes?
Wen/n Gott anruft
Somit tritt in den Vordergrund, was vor allem im Neuen Testament in so vielen Begegnungen Jesu mit den Menschen überdeutlich erfahrbar wird: Der Glaube der Menschen geschieht, weil Gott es will – wir Menschen werden zum Glauben berufen, nicht genötigt und nicht gezwungen. Jede und jeder erfährt das auf ihre oder seine Weise. Die Geschichte aus dem Buch Exodus macht es deutlich: Gott meldet sich bei den Menschen – auf reichlich kuriose Weise ruft er manchmal in seinen Bannkreis: Zieh deine Schuhe – der Ort, an dem du stehst, ist heiliger Boden. Die Antwort des Menschen: Staunen, Stirnrunzeln, Dankbarkeit, Fragen und Zweifel – all das liegt drin. Und viele Menschen merken diesen Anruf Gottes in ihrem Leben auch gar nicht – sie lassen den Dornbusch brennen, ohne sich weiter darum zu kümmern. Auch das ist möglich.
Hallo Mensch, ich bitte um Rückruf
Die Berufung Gottes zum Glauben verlangt die Antwort des Menschen. Hier bin ich, hat Moses gesprochen. Und hat dann die Mühen auf sich genommen, ein ganzes Volk zum Guten, ins Gelobte Land zu führen. Was ist unsere Antwort auf unsere je eigene Berufung zum Glauben? Gehen wir an den Dornbüschen, aus denen Gott sich bei uns meldet vorbei, und lassen sie halt ungeachtet weiterbrennnen? Oder bekommen wir ein Gefühl für das Heilige in unserem Leben, wo Gott seinen Raum einnimmt und unser Leben bestimmt. Das hat dann auch Konsequenzen: Denn wo Gott unser Leben bestimmt, da sind Rahmenbedingungen des Guten gesetzt: gegenüber diesem Gott, gegenüber dem Nächsten an unserer Seite, gegenüber uns selbst. Diese Bedingungen des Guten sind Gottes Herausforderung an uns. Die Fastenzeit lädt uns ein, uns wieder neu darauf zu besinnen, ob wir diese Rahmenbedingungen Gottes kennen und sie erfüllen.
Anders als die Polizei mit ihren Radarfallen setzt Gott dabei keine Gnadenfristen – seine Einladung an uns, Heiligem in unserem Leben einen Raum zu geben, gilt lebenslänglich.
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