Wie sich Ostern anfühlen könnte

Zum 5. Sonntag der Fastenzeit – Lesejahr A

Auferweckung – Wellness auf religiös?
Wer nach einem wunderschönen Urlaub, einem erfolgreichen Wellness-Aufenthalt oder was auch immer für einem Vergnügen zu sich kommt und alles noch einmal in der Rückschau geniesst, sagt doch oft: “Ich fühle mich wie neu geboren.” Das Leben fühlt sich nicht nur anders an, es ist auch ein Stück anders. Der Körper funktioniert irgendwie anders – und das ist selten nachmessbar. Auch der Geist funktioniert tickt anders. Plötzlich fällt die Bewältigung von Aufgaben einfacher, es ist wieder Kraft da, auch Dinge in den Angriff zu nehmen, die man vorher eher zum Weglaufen fand. Alles geht wieder.  Man ist wieder in der Lage, seine Welt zu gestalten. Wege tun sich auf, die man vorher nicht sehen konnte. Sich wie neu geboren zu fühlen, meint auch: Leben zu spüren, wo vieles vorher abgestorben war.

Wahrhaftig: Unglaublich!
Wer so zu neuem Leben findet, kann die Auferstehungsgeschichte des Lazarus nicht nur gut lesen, sondern auch nachspüren.  Lazarus, komm heraus – fühle dich wie neu geboren – Leben sollst du haben, Leben in Fülle (Joh 10,10). Wer die Erzählung des Johannes so versteht, der kann zurückstellen, wenn der skeptische Naturwissenschaftler meint, dass doch Totenerweckungen nicht möglich sind. Auferstehen zu einem neuen Leben oder gar zu ewigen Leben ist keine Frage für die Naturwissenschaft, sondern ein Versprechen, das der Glaube verheisst. Das ist für den vernunftgesteuerten Menschen heikel. Es braucht das Vertrauen in diesen Gott, der zu uns Menschen sein ‘Ja’ gesprochen hat, – Vertrauen darauf, dass diese Zusage an uns wirklich so gemeint ist. Das Evangelium dieses fünften Fastensonntags liest sich nun auch wie eine Geschichte des Zweifeln, Ringens, Missverstehens und intensiven Erlebens rund um all das, was Frohbotschaft in ihrem eigentlichen Kern meint:  Auferstehung – wer kann das fassen? Damals wie eine heute eine Herausforderung, die ans Eingemachte geht.

Konfusion pur
Schauen wir ein wenig genauer hin. Am Tod des Lazarus wollte Jesus ein Beispiel aufscheinen lassen: Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes: Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden. Mehr deutet er den Jüngern zunächst mal nicht an. Und sie reagieren gemäss der Situation, in der sie sich befinden: Mit dem Ort Bethanien, wo sie hingehen sollen,  verbinden sie unangenehme Erfahrungen – da waren Menschen, die ihnen feindlich gesonnen waren. So versuchen sie, Jesus lieber da fern zu halten. Verständlich. Jesus aber setzt sich durch, umso mehr, als klar wird, dass sie Lazarus nicht mehr lebend antreffen werden. Geradezu schicksalsergeben willigt Thomas, der spätere Zweifler, ein: Ja dann halt – gehen wir mit ihm: mitgefangen, mitgehangen! Von einer Offenheit gegenüber Gottes Wirksamkeit keine Spur.
Kurz vor Bethanien trifft Jesus auf Marta: Sie nimmt das Sterben ihres Bruders pragmatisch – es hätte anders sein können, nun ist es halt so. Als er ihr Hoffnungen machen will, kommt bei ihr nichts davon an. Auferstehung ist was Menschenfernes und hat mit dem Leben nichts zu tun. Ihre Schwester Maria hingegen vergeht fast vor Kummer – sie war auch in anderen Begebenheiten immer eher die Gefühlsbetontere. Aber Rettung aus dem Tod – das ist auch für sie kein Thema. Da wird auch Jesus von der Trauer übermannt. Und inmitten all dessen noch heftige Polemik der Umstehenden: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb? Jetzt wird es Zeit, die Situation zu kehren. Gegen Martas Widerstände – Herr, er riecht aber schon! – zeigt Jesus an Lazarus auf, was es heisst, Leben von Gott empfangen zu haben.

Was macht’s…?
Und was passiert dann? Nichts! Lazarus verlässt das Grab genauso wie er hinein gekommen ist: gesalbt und in Leinen gewickelt. Und die Leute? Kein Jubel, kein Staunen, kein Geschrei – wir hören von nichts. Lazarus kann sich fühlen wie neu geboren – aber auch von ihm kein Kommentar. Ihm ist Leben wieder geschenkt worden – und er geht still und leise weg. – Wenn Gott am Werk ist, findet die menschliche Stimme dazu keinen angemessenen Kommentar. Inmitten der Totenstille von Bethanien wirkt dieser Gott – und sonst nichts.

Wir hören dieses Evangelium auf dem Weg auf Ostern hin. Die Verkündigung macht uns langsam und behutsam vertraut mit dem grossen und zentralen Thema unseres Glaubens, das dann in der Osternacht gefeiert wird: Auch uns ist verheissen, Auferstehung zu erleben. Es soll sich nicht so anfühlen wie neues Leben nach einem gelungenen Wellness-Programm – es ist neues Leben, dass Gott selbst verheisst. Und diese Verheissung hat mit der Person des Gottessohnes Hand und Fuss bekommen.

… mit dir?
Wie wirkt das auf uns heute? In wenigen Wochen tauchen wir ein in die Auferstehungsfeierlichkeiten. Wie geht’s uns jetzt auf dem Weg dahin? Die Beispiele für eine Antwort aus dem Evangelium sind vielfältig. Geht’s uns: Wie den Jüngern – wir sehen dem Fest eher mit Befremden und ein wenig Erschauern entgegen? Oder wie dem Thomas – wir sind halt katholisch, also auf und los? Wie Marta – es kommt halt wieder Ostern, aber es könnte auch anders kommen…? Wie Maria – gefangen in unseren eigenen Lebenssituationen und so ohne Vorstellung von diesem Gott? Oder wie Lazarus – erfüllt von dem Gefühl, wie Leben in Fülle aussehen könnte?
Oder ist da nicht eher: von allem ein bisschen?

Es wird auf diese Fragen keine allgemeine Antworten geben können – sowie Jesus den Lazarus herausruft, sind auch wir je einzeln auf Tod und Auferstehung Jesu Christi Auferstehung getauft und berufen worden. Das jährliche Osterfest ist immer wieder ein Schritt zu auf die Vollendung der Verheissung, die der Prophet schon seinem Volk in der Verbannung gemacht hat: Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole, dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin.

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