Wes’ Brot ich ess’, des’ Lied ich sing

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Wer heute ein Anstellungsverhältnis in einer Firma oder bei einem anderen Arbeitgeber eingeht, unterschreibt mit dem Vertrag selbstverständlich auch die Loyalitätsverpflichtung zur Firmenleitung und zu Vorgesetzten. Wer diese Loyalitätsverpflichtung verletzt, fliegt früher oder später.

 Das ist durchaus ja auch nachvollziehbar, wenn man davon ausgeht, dass eine Firmenleitung einen Firmengeist vertreten und diesen Geist auch gewahrt wissen will. Wer dem Firmengeist nicht folgen will, steht am Anfang eines Weges, der je nach Verhältnissen in der Firma einfacher oder schwieriger wird. Herrscht ein guter Geist, werden Leitungsverantwortliche sehr wohl hinhören, was Angestellte in allen Etagen zum Leben der Firma meinen und vielleicht einen Veränderungsprozess beginnen. Herrscht ein solcher guter Geist nicht oder wird Loyalität zur unüberwindbaren Hürde, bleibt oft nur die Kündigung.

Meine Firma Kirche

Nun ist die Kirche nicht unbedingt eine Firma sui generis. Die Kirche hat wohl eine Leitung, der Loyalität zu schulden ist, doch Zweck dieser Leitung ist nicht diese selbst, sie ist nicht der Geist der Firma  – sie soll vielmehr letztinstanzlich auf das verweisen und transparent machen, was Kirche ist: Nachfolgegemeinschaft Jesu Christi. Religionsgemeinschaften mit Offenbarungsschriften zeichnen sich aus durch ihr ständiges Ringen um die Wahrheit. Wenngleich es in allen Offenbarungsreligionen wie in der Kirche in Sachen Wahrheit eben diese Letztinstanzen gibt, bleibt doch immer der Vorbehalt, dass es auch ganz anders aussehen könnte. Das gilt nicht nur für theologische Wahrheiten, das gilt auch für die Wahrheit kirchlicher Praxis. Da hilft nur eines: Miteinander ringen um jene Wahrheit. Ohne Zweifel ein mühsames Geschäft – es setzt Dialog- und Kommunikationsbereitschaft – und -fähigkeit voraus.

Im Bistum Chur sind solche Wahrheitsfindungsprozesse schon lange eingeschlafen. Seit langer Zeit hört man etwa aus dem Priesterrat immer wieder, er diene lediglich dazu, dem Bischof zuzudienen und sein Verhalten abzunicken. Konsultationsprozesse, die diesen Namen wirklich verdienen? – Fehlanzeige! Stattdessen gehen die meisten Teile der Diözese ihren Weg allein – der Bischofssitz von Chur ist de facto wohl besetzt und das noch bis 2017, von den Menschen und in den Gemeinden gefühlt aber schon lange vakant. Auch von den Priestern, jenen also, die diesem Bischof oder einem seiner Vorgänger “Ehrfurcht und Gehorsam” versprochen haben, haben die meisten schon längst kapituliert und den Rückzug ins eigene Nest angetreten. Eine fatale Entwicklung für das Leben der Kirche.

Und bist du nicht willig…

Das ist natürlich auch dem Bischof von Chur nicht entgangen. Mit Bedauern stellt er nun fest, dass die aufgrund des dualen Systems durch die Kirchgemeinden gesicherte gute Versorgung der Priester dazu führt, dass ihm keine Möglichkeiten bleiben, sich mit einem Salär die Loyalität seiner Priester zu erkaufen: “Denn mit den heutigen Löhnen und sozialen Absicherungen sind die Priester in eine materielle Unabhängigkeit gekommen, welche sich zum Teil auf die Communio [Gemeinschaft, d.A.] mit dem Bischof […] negativ auswirkt.” Wie tief müssen wir eigentlich noch sinken? – Communio ist schlussendlich keine Einbahnstrasse. Wer als Leitender den Konsens und die Kollegialität – also echte Communio – nicht hinbekommt, der braucht Machtmittel. Wer dann keine Machtmittel hat, hat ein Problem.

Natürlich: Andere Ortskirchen – etwa in Deutschland – kennen durchaus das Disziplinierungsmittel ‘Salär’. Aber es ist der spezielle Charakter der Kirche in der Schweiz, dass der Bischof dieses Machtmittel nicht hat. Er muss die Kollegialität suchen. Übrigens: nicht nur der Bischof – das gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche. Aber diese Geschwisterlichkeit, die auf allen Ebenen der Kirche durchaus auch immer wieder gefährdet ist und auch hier und da wohl schwierige Merkmale aufweist, ist unser Markenzeichen – eben mit allem ‘Für und Wider’.  Damit sind wir immer noch durch und durch römisch-katholisch, auch wenn das manchmal in Chur angezweifelt wird. Aber eben auf eine dem Schweizer Habitus entsprechende Weise.

Wer das nicht will, sollte diese Kirche nicht leiten.