Sarepta – von der Hoffnung auf gutes Leben hier und heute
Zum 32. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B
Freude und Hoffnung, Trauer und Angst (GS1)
An unseren Sonntagen feiern wir das wöchentliche Ostergedenken. Die Feier dieses Tages soll Freude über Erlösung ausstrahlen, soll weitergeben, wovon das Herz der Christenheit voll ist. – Am heutigen Sonntag ist die Osterfreude aber nach der ersten Lesung irgendwie mal recht dahin. Die Autorenschaft der Königsbücher führt uns heute mit einer berührenden Geschichte hinein in die seelischen Abgründe einer Frau, der anscheinend wegen ihres Leben in Hungersnot sterbenselend, richtiggehend nur noch zum Sterben zumute ist. Und in dieser Lage begegnet sie dem Propheten Elija, der ihr vom Leben erzählen will, der sie das Leben spüren lassen will. Kein einfaches Vorhaben im Angesicht des Umstandes, dass die Witwe in ihrer Situation nichts erkennen kann, was ihrem Leben und dem Leben ihres Kindes noch irgendeinen Sinn geben könnte. Ohne zu wissen, was es noch soll, bestellt sie wohl mit Feuerholzsuche ihren Haushalt – doch ihre innere Lebensflamme ist schon längst erloschen.
Perspektivenwechsel
Das Verhalten des Propheten wirkt in diesem Moment ein wenig befremdlich. Er bittet die selbst notleidende und niedergeschlagene Frau, für ihn zu sorgen – wir hörten: Zunächst fragt er nach Wasser und schliesslich ersucht er die Frau nach etwas Essbarem. Auf den ersten Blick erscheint Elija doch eher selbstbezogen. Was mit der Frau los ist, rührt ihn auf den ersten Blick wenig. Und dennoch macht der Prophet genau das Richtige. Er holt sie heraus aus ihrer Misere nicht, indem er ihr etwas Gutes tut oder ihr konkrete Hilfe zukommen lässt, sondern zunächst einmal, indem er sie wertvoll und wichtig macht. Elija lässt die Frau durch seine Bitte spüren, dass ihr Leben für sie selbst einen Sinn hat und anderen etwas bedeutet. Der Dienst am Anderen ist der Anfang des Weges der Erkenntnis. Elija führt sie aber auf diesem Weg noch viel weiter: In den nicht versiegenden Quellen der Gaben Gottes geht ihr schliesslich auf, wer der eigentliche Sinn und Urgund ihres Lebens ist – Gott selbst. Elija schafft es, die Frau aus dem Kreisen um sich selbst herauszuholen und ihr eine neue Blickrichtung zu geben. Im Angesicht der Wunder Gottes darf sie erkennen: Bei Gott ist jedes Menschenleben unendlich wertvoll, ist jeder und jede geliebt.
Am Ende: Überfülle
Die Geschichte der Witwe von Sarepta ist eine jener berührenden Heilungsgeschichten der Bibel, die uns mit hineinnimmt in den Heilungsprozess des Menschen. Es ist ein schwieriger Weg, der nur mit Gottes Hilfe letztendlich gelingt. Nur indem Elija den Blick von der Frau zu seinen Bedürfnissen lenkt, nur indem es ihm gelingt, die Lebensperspektive der Frau zu verändern, kann neues Leben sich seinen Weg bahnen. Ein Weg, der durch die Abgründe menschlicher Existenz führt. Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, heisst es – plötzlich war da Leben in Überfülle.
Zusammen mit der Geschichte, die Jesus den Menschen im Evangelium erzählt, wird deutlich, was Heil und Heilung in tiefster Bedeutung meint. Das Heil der Witwe, die Jesus erwähnt, liegt eben nicht in materieller Sicherheit – sonst würde sie diese nicht durch eine grosszügige Spende noch mehr gefährden. Die Witwe gibt, weil ihr Leben reicht beschenkt ist – wenn auch offensichtlich in keiner Weise in materieller Hinsicht. Doch sie fühlt sich so gut und so sicher, dass sie anderen noch helfen kann. Auch wenn Armut krank machen kann, wie uns Institutionen wie etwa Caritas immer wieder wissen lassen, kommt es doch zunächst einmal darauf an, aus welcher Perspektive ich auf mein Leben schaue. Wer trotz allem Mangel und aller Not im Leben noch in der Lage ist, das Gute des Lebens, das wir Gott verdanken, zu entdecken, spürt die Fülle des Lebens einmal eher, als jener, der sich in die Tiefen von Verzweiflung und Angst mitreissen lässt. Da braucht es dann eben den anderen Menschen, der zu einer neuen Sicht auf das Leben ermutigt. Wir alle können so für einander da sein. Der Prophet Elija hat es vorgemacht und sich gefragt: Wie kann ich die Witwe aus dem Strudel ihrer Verzweiflung herausreissen und zu neuen Einsichten bringen? Wie kann ich ihr diese Idee von einem Leben in Fülle zur Erfahrung werden lassen? Was braucht es, dass sie das Leben wieder in die Hand nehmen und für sich und ihren Sohn da sein kann?
Hoffen wider alle Hoffnung
Wir hören diese Botschaft am Wochenende nach Allerseelen, dem grossen Totengedenktag des Kirchenjahres. Allerseelen hat viele von uns wieder einmal in Berührung gebracht mit dem Verlust lieber Menschen in der ferneren oder näheren Vergangenheit. Allerseelen verkündet das grosse Versprechen: In Gott haben alle unsere Toten ewiges Leben – sie sind geborgen. Allerseelen ist auch ein Glaubensbekenntnis: Mit dem Tod ist nicht Schluss – da ist noch die grosse Hoffnung auf ein Nachher, dass der Gottessohn im Ereignis seiner Auferstehung verheissen hat. – Aber was ist denn dann mit denen, die leben, mit denjenigen, die mit dem Tod von Anderen umgehen müssen, die – vielleicht tragische – Verluste verarbeiten müssen? Welche Perspektiven stehen diesen offen? Wie kommen sie heraus aus der Spirale von Leid und Verzweiflung?
Die zwei Witwen, von denen wir heute gehört haben, laden ein, mitten in Armut, Not, Tod und Verzweiflung nach Spuren des Lebens zu suchen, die in die Zukunft führen können. Manchmal geht das eben auch nur, wenn Andere solche Menschen aus dem Teufelskreis des Unheils herausreissen und neue Perspektiven des Lebens aufzeigen. Und in solchen neuen Perspektiven offenbart sich schliesslich Gott selbst.
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