Mission: Vom eigenen Ego zum Wesen des Anderen
Zum 29. Sonntag im Jahreskreis (Sonntag der Weltmission) – Lesejahr B
Mission: sich zurücknehmen
Es menschelt im Kreis der Zwölf. Jesus ist ihr geistiger wie auch ganz weltlicher Leiter, versorgt sie mit seinen Ideen, er ist ihr Vorbild, will sie zu Boten seiner Botschaft machen – und als er sie fragt, was sie dafür brauchen, wie er sie unterstützen kann, zeigen sie, dass sie recht wenig verstanden haben. An speziellen Plätzen im Reich Gottes ist ihnen zuerst gelegen. – Es ist eine jener Geschichten aus den Evangelien, die am Glanz des Apostelkreises kratzen. Aber: Haben diese allzu menschlichen Züge der Zwölf nicht auch was Wunderbares an sich? Zeigen sie uns nicht, dass jene, die die ersten im Dienst am Evangelium waren, nicht Übermenschliches an sich hatten, sondern mit Kräften und Charismen ausgestattet waren wie andere auch – nicht mehr und nicht weniger? Am Anfang der Kirche stehen ihr also ganz gewöhnliche Menschen voran, mit Fehlern und Stärken – und das ist bis heute so geblieben.
Mission: sich einsetzen
Die Apostel streiten sich darum, wer von ihnen einen Ehrenplatz haben kann. Jesus macht ihnen klar, was wir wohl heute mit dem Satz beschreiben würden: Hochmut kommt vor dem Fall. Er gibt ihnen mit, dass an den wenigsten von ihnen, wollen sie wirklich im Dienst an seiner Botschaft verharren, das Schicksal der Blutzeugenschaft vorbeigehen würde. Und wo es auf Leben und Tod geht, da ist nicht der Ort für Diskussionen um erste und letzte Plätze. Ganz im Gegenteil. Wer im Dienst an der Heilsbotschaft Gottes steht, nimmt sich zurück und setzt andere Prioritäten. Eine Mahnung, für die die Jünger zu dieser Zeit nicht recht empfänglich sind. Wer die Heilsbotschaft verkünden und leben will, der schaut eben nicht zuerst nach oben und nach unten, um zu sehen, wer unter einem oder über einem ist – sondern vielmehr nach rechts und links, um zu erkennen, wer die oder der Nächste ist. Anders kann eine Gemeinschaft im Glauben nicht gelingen: Das galt für die Zwölf, das gilt für die Kirche von heute.
Mission: liefere nöd lafere
Wir erleben die Bedeutung dieser Erkenntnis für unsere Kirche gerade hautnah. Die Weltsynode in Rom kann nur dann Früchte tragen, wenn Einzelne bereit sind, sich und ihre individuellen Haltungen und anscheinend unumstösslichen Meinungen zurückzunehmen zugunsten eines grösseren Ganzen. So wie einst etliche der Apostel im Dienst am Evangelium in grösstmöglicher Demut ihr Leben gelassen haben, ist es heute ihren Nachfolgern geboten, im Dienst am Evangelium geistige wie geistliche Unbeweglichkeit und anscheinend sakrosankte Positionen in Demut aufzugeben und zu grösstmöglicher Dynamik zu finden. ‘Synodal’ kommt aus dem Griechischen, ‘syn-odos’ meint ‘gemeinsamer Weg’. Gemeinsam ist ein Weg aber nur, wenn ihn auch alle miteinander gehen, – die einen dabei vielleicht mehr in der Mitte, die anderen mehr am Rand, mehr rechts oder links, aber immer: gemeinsam. Das bedeutet auch, dass so mancher Verantwortlicher und so manche Verantwortliche in der Kirche ihre vom immer gleichen Gehen ausgetretenen Pfade verlassen und neue Wege einschlagen müssen. Kann das gelingen?
Mission: hinhören und hinschauen
Der heutige Sonntag der Weltmission kann dazu ein paar Anregungen liefern. Gute Mission war zu allen Zeiten der Kirche dadurch geprägt, dass Missionarinnen und Missionare sich auf Menschen und Situationen eingelassen haben, die sie vorgefunden haben. Missionarinnen und Missionare waren erfolgreich, wenn sie zugleich im Dienst am Menschen und im Dienst an der Frohbotschaft standen. Wenn sie nicht gefragt haben: Was habe ich davon, wie komme ich vor? Wenn sie nicht ihre Glaubenshaltung, ihre kulturelle Prägung oder den Wunsch nach Gleichheit aller zur Priorität gemacht haben, sondern verschiedene Glaubenszugänge, andere Lebensansätze und Vielfalt haben aushalten, leben und gestalten können. Daran hat sich bis heute nichts geändert – und das ist fraglos herausfordernd. Aber anders ist Kirche hier und heute nicht möglich, nicht in Rom, nicht weltweit – damals nicht in ihren Anfängen und in heutiger Zeit eben schon gar nicht. Eine Kirche, die leben will, muss missionarisch sein, darf nicht ständig vom Aufbruch reden, sondern muss ihn auch leben – oder sie ist nicht mehr.
Und wenn Mission dann etwas ist, das nicht an Schreibtischen, sondern im täglichen Leben geschieht, hat sie folglich auch ganz praktischen Charakter: Missionarinnen und Missionare teilen nur zu oft den Alltag mit den Menschen, an deren Orten sie leben – mit ihnen sind Bauern, Handwerkerinnen, Lehrer und vieles mehr. Das Evangelium will eben nicht nur erzählt sondern auch gelebt werden. Wenn alle Pfarreien weltweit sich an diesem Weltmissionssonntag mit Kollekten solidarisch am Missionswerk der Kirche beteiligen, dann scheint darin ein Stück dieses ganz praktischen und lebensnahen Vollzugs von Mission auf.
Mission: radikal – an den Wurzeln
Missionarinnen und Missionare der Kirche haben noch etwas anderes vorgemacht: Aufbrüche beginnen nicht in Synoden oder in Bischofsräten – sondern in den Haushalten von Christinnen und Christen und in deren Pfarreien. Es ist in der Kirche wie bei jeder wunderschön blühenden Blume: Wenn die Wurzeln kein Wasser mehr ziehen, werden die Blätter trocken und die Blüten fallen ab. Und dabei lässt sich auch feststellen: Es gibt Blumen, die tragen mehr Blüten und gedeihen besser als andere – soll heissen: Es gibt Ortskirchen, die lebendiger in unserer Zeit stehen als andere. Jene mit mehr Leben werden dann jene, die sich in ihrem Leben schwertun, unterstützen – die Richtung von Mission kann dabei eben auch immer wieder kehren. Wir sehen das deutlich, wenn etwa Seelsorgerinnen und Seelsorger aus dem Globalen Süden zu uns kommen, um uns zu helfen, Kirche zu gestalten, und gleichzeitig finanzielle Mittel von den Ortskirchen Europas in den Globalen Süden fliessen.
So lässt sich kaum besser als an einem Weltmissionssonntag, wenn wir unseren Blick durch die ganze Weltkirche gleiten lassen, erspüren, was ´katholisch´ wirklich heisst: allumfassend.
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