Mach was draus!

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Zum 22. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A

Das Wort Jesu vom Verlieren und Retten des Lebens könnte als Schicksalsergebenheit missverstanden werden. Es fordert uns auf, nach dem Willen Gottes zu fragen und die Gestaltung unseres Lebens nach dem Willen Gottes in die Hand zu nehmen. Dies gilt auch im sozialen und politischen Sinn.

Hände gehören nicht in den Schoß

Fatalismus bedeutet eine Gesinnung, die meint, das Geschehen in Natur und Gesellschaft sei durch eine höhere Macht oder aufgrund logischer Notwendigkeit vorherbestimmt. Der Wille des Menschen kann da gar nichts entgegensetzen. Mit der Überzeugung vom eigenen Ausgeliefertsein verbindet sich dann eine Gefühlslage der »Schicksalsergebenheit«. – “Der Mensch denkt, Gott lenkt.” So eine Haltung ist eigentlich alles, nur nicht christlich. Als Christinnen und Christen sind wir doch sicher, dass wir unser Leben als Gottesgeschenk bekamen, um es zu gestalten. Wir sollen unser Leben in die Hand nehmen und es gestalten, wie ein Töpfer einen Tonkrug schafft. Dazu hat Gott uns mit Gnadengaben – Charismen – versehen. Immer wieder spüren wir, dass wir bei der Gestaltung dieses Lebens sehr wohl an Grenzen stoßen können, am allerdeutlichsten, wenn wir leiden oder gar sterben müssen. Aber dennoch: Das Leben ist uns gegeben, dass wir etwas daraus machen, und Gott geht dieses Leben mit, er ist mit dabei – das ist uns in der Taufe sogar zeichenhaft versprochen worden.

Alles in Gottes Händen?

Das Evangelium, das wir zum heutigen Sonntag vernehmen, hat aber auf den ersten Blick doch zunächst einmal einen ziemlich anderen Anschein. Da sagt Jesus zu den Menschen: “Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.” Was ein wenig danach tönt: Wenn du selbst nach deinem Leben schaust und was draus machen willst, hast du keine Chance. Und dann noch: Nimm eher alles – vor allem die Kreuze – an, die dir das Leben so anbietet und sei zufrieden damit. Jesus erinnert an die Tradition der Psalmen: “Wer ist der Mensch, der das Leben liebt / und gute Tage zu sehen wünscht?” (Psalm 34,14). Hart geht schließlich Jesus mit Petrus ins Gericht, als dieser seinen Herrn mahnt, sich drohendem Unrecht entgegenzusetzen: “Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir!” – Jesus doch ein Fatalist?

Sicher ist Jesus nicht einfach blind schicksalsergeben, aber sicher ist Jesus sich auch der Realitäten des Lebens bewusst. Jesus schaut an, was da kommt. Jesus will dem, was ihm das Leben bietet, begegnen und damit umgehen. Er rennt nicht davon.

Schau in den Spiegel deines Lebens

“Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?” Was nützt es einem Menschen, wenn er sich in seinem Leben beständig was vormacht und sich am wahren Leben, das eben auch schwer sein kann, immer wieder vorbeimogelt? Wenn er ständig so tut, als wäre alles gut, obwohl das so gar nicht stimmt? Es mag zwar eine Weile gutgehen, aber echtes, wahres Leben kommt anders daher. Nein, Jesus lässt uns wissen, dass wir uns nicht einfach unserem Schicksal so dahingeben sollen, dass wir unser Leben gestalten sollen, dass wir aber auch vor Not und Leid nicht aufgeben dürfen, dann, wenn wir unser Leben nicht mehr ganz und gar in der Hand haben. Auch dann, wenn alles so aussichtslos erscheint, liegt die Entscheidung, die Kreuze des Lebens anzunehmen und aufzunehmen, immer noch bei uns. Aber der Herr macht uns klar: Folge mir auch jetzt noch nach. Eine Herausforderung. Aber nur so können wir das Leben erfahren, wie es wirklich ist, und nicht als einen trügerischen Schein, mit dem wir uns was vormachen.

Warum das Ganze? Schauen wir uns um, erleben wir doch immer wieder Menschen, die sich Scheinwelten ihres Lebens aufbauen, die “sich betrügen mit dem Schein”, wie es in einem Kirchenlied heißt, und damit eigentlich ganz gut zurechtkommen. Warum müssen wir uns so viel Stress machen mit Authentizität, mit Echtheit? Paulus erklärt das seiner Gemeinde in Rom so: Es geht darum, zu prüfen und zu erkennen, “was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene”. Nicht ganz einfach, was Paulus da meint: als Gottes Ebenbilder zu leben. Und Paulus lässt uns wissen: Sucht das wahre Leben, das echte, weil es das ist, was ihr von Gott bekommen habt. Und kein anderes – da gehören eben auch die Kreuze dazu. Und weil es das ist, was letztendlich zum ewigen Leben führt. – Alles andere führt ins Nichts.

Das Evangelium: sozial und politisch

“Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.” Dieser Anruf Jesu gilt nicht nur für jeden Menschen als Einzelnem. Diese Worte gelten auch zwischenmenschliche Strukturen, für soziale Größen und Einheiten wie etwa auch für unsere Kirche. Als Kirche können wir so viel in unseren Gesellschaften bewirken – aus einem Geist der Liebe, der schließlich das Wirken des Heiligen Geistes bezeugt. Manchmal aber halten wir uns politisch und sozial lieber heraus und legen die Hände in den Schoß.

Auf der anderen Seite haben wir als Kirche Definitionen und Lehren, die uns helfen, unseren Weg durch die Zeiten zu bestehen – und das ist gut und richtig. Aber es gibt hinter all unseren Glaubenstraditionen, hinter allen Lehren auch noch ein »Mehr« an Wirklichkeit, das allein Gott kennt. Und damit bleibt unsere Betrachtung der Wirklichkeit vorläufig, bruchstückhaft. Das ist eine Herausforderung – für manche Menschen in der Kirche ein Kreuz, das sie fast nicht tragen können.

Die Definition unseres Glaubens, unser Glaubensbekenntnis, spricht von dieser einzigartigen Allmacht Gottes – aber ist es auch in den Herzen der Christenheit angekommen? Können wir nicht immer wieder feststellen, dass wir in unseren Pfarreien, in unseren Vereinen und Gruppierungen Gott lieber sagen wollen, wie diese Gemeinschaft seiner Gläubigen auszusehen hat und daherkommen soll, als dass wir uns auf das Wirken des Heiligen Geistes einlassen und diese Kirche zunächst einmal annehmen, wie sie ist? Natürlich ist jede Gemeinschaft – auch die der Kirche – eine Herausforderung, sie erfordert Beweglichkeit, Flexibilität – von jedem und jeder, der dazugehört und dort mitmacht. Und das ist manchmal ganz schön anstrengend. Aber hat Jesus nicht eben gesagt, man nehme sein Kreuz auf sich und folge ihm nach?

Uns ist das Leben gegeben, nicht damit wir abwarten, was passiert. Uns ist das Leben gegeben, dass wir etwas draus machen – als Einzelne, als Gemeinschaft. Aber: Wir sind nicht die Baumeister, wir sind die Handwerker unseres Lebens. Der Bauplan ist in seinen Grundstrukturen schon gezeichnet, mit Gottes eigener Hand – wir dürfen und sollen weitermachen. Und die Leichtigkeit dieses Weges wächst mit dem Vertrauen in unseren Gott, der das Leben gab und selbst das Leben ist.

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