“Kommt und seht”
Zum 2. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B
Wo wohnst du?
Die Kultur der Wohnstatt ist ein delikates Thema im Leben von Menschen. Wer wohnt wie? Was bedeutet für mich, wie ich wohne? Und damit auch sofort verbunden: Was lasse ich andere wissen von dem, wie ich wohne? Wie sehr öffne ich meine Wohnung für andere? In der Schweiz lädt man gerne einander ein, aber selten spontan. In Deutschland ist es üblich, schnell mal beim Nachbar zu läuten. Bei meinen Besuchen auf den Philippinen habe ich festgestellt, dass man dort sehr flexibel ist: Oft wird übernachtet, wo man gerade ist. – Sag mir, woher du kommst, und ich sag dir, wie du wohnst, mag man kommentieren.
Besser eine offene Tür als ein offener Mund
Man mag diese Gedanken im Hinterkopf behalten, wenn wir das heutige Evangelium vernehmen. Da steht Johannes mit seinen Jüngern am Jordan, sieht Jesus vorbeikommen und begrüsst ihn. Die Jünger des Johannes werden neugierig und wollen über Jesus mehr wissen. Interessant ist es nun, wie sie das anfangen. Wo wohnst du, ist ihre Frage. Das ist es, was sie an Jesus neugierig macht. Und Jesus lädt sie ein: Kommt und seht. Jesus öffnet seine Türen und das heisst auch: Er teilt mit ihnen nicht nur sein Brot, er teilt mit ihnen auch einen Teil seines Lebens. Es geht dabei aber um wesentlich mehr als nur um Offenherzigkeit und Gastfreundschaft. Jesus ist unterwegs als Wanderprediger und – als Gottessohn. Sein Anliegen ist Heilsverkündigung. Und das macht er nicht zuerst mit Worten, mit Predigten – Jesus macht das mit klaren Gesten. Er lädt ein, öffnet sich den anderen.
Offenheit wirkt pandemisch
Diese Begegnung mit den ersten Jüngern hatte nach der Darstellung des Evangelisten Johannes einen Domino-Effekt. Weil Jesus in sein Haus eingeladen hatte, folgten den ersten Gästen noch andere – der wichtigste unter ihnen: Petrus, der spätere Erste der Apostel. Der Aufbau der Heilsgemeinschaft Jesu und damit auch der Kirche gründet auf Offenheit und Gastfreundschaft: Kommst und seht.
Das ist geblieben bis in unsere Zeit. Natürlich muss die Kirche auch eine Botschaft haben, die glaubwürdig gelebt und verkündet wird. Aber niemanden wird eine Botschaft locken, wenn jene, die sie verkünden, nicht Interesse wecken, einladend sind. Und dabei muss klar rüberkommen, dass die Einladung von Herzen kommt und nicht bauernfängerisch oder oberflächlich ist. Und so sind wir als Kirche, als Pfarrei, als Familie einer Pfarrei immer wieder neu angefragt, was denn für uns das Beispiel Jesu meint, wenn er sagt: Kommt und seht.
Zwischendurch mal: Hausputz der Seele
Eine Kirche, die wirklich einladend ist, die ist echt, – authentisch, wie man sagt. Sie trägt im Herzen, was sie will – nicht nur auf der Zunge. Und der Gläubige, in dessen Herz die Heilsbotschaft lebt, will ihr eine Wohnstatt geben – will für sie parat sein. Dass das eine Herausforderung für christliches Leben ist, war auch dem Apostel Paul bewusst, – wir haben das in der zweiten Lesung gehört. Wir sollen unsere ganze Präsenz auf Erden pflegen als Wohnstatt des Heiligen Geistes, so Paulus. Nur dann sind wir auch erfolgreich in der Lage, die Frohbotschaft Christi – im wahrsten Sinn des Wortes – zu verinnerlichen. Da geht manchmal halt auch was schief. Paulus weist dazu auf sexuelles Fehlverhalten der Korinther hin – in einer lebendigen Hafenstadt wie Korinth hatte er dazu vielleicht auch allen Grund. Man kann sich vorstellen, was Paulus dort so alles gesehen hat. Wer des Paulus Mahnung gegen die Unzucht ein wenig positiver und aufbauender formulieren möchte, mag sich jenen Satz vor Ohren führen, der der Hl. Teresa von Avila zugeschrieben wird: Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen. Unsere irdische Existenz soll Gasthaus des Geistes Gottes sein, damit die Frohbotschaft in uns fortleben kann und aus uns strahlt. Das kann durchaus herausfordernd sein.
Jener Mensch hingegen nämlich, bei dem das Evangelium keinen Eingang, keine Wohnstatt, keinen Platz im Herzen findet, der führt das Wort Gottes als leeres Geschwätz auf der Zunge – es hat mit seinem Leben nichts tun, und das Leben eines solchen Menschen kann sogar als genau das Gegenteil daherkommen von dem, was die Botschaft Jesu will. Selbst in der Glaubensgemeinschaft der Kirche finden wir dazu immer wieder Beispiele.
Aufwachen!
Es gibt noch eine andere Lebenshaltung, die den weitherzigen und einladenden Charakter einer Glaubensgemeinschaft verhindern kann: Wenn wir es uns in unserem Glaubensleben allzu gemütlich einrichten. Wenn wir uns unsere Vorstellungen vom Glauben machen und es dabei dann auch mal belassen. Wenn der Glaube in unseren Herzen ruht, sich dort aber eher aus-ruht. Wenn wir träge und unflexibel werden, uns an Mustern und Schemata orientieren, die Leben eher verhindern als fördern. Die erste Lesung hält uns das vor Augen mit der Kindheitsgeschichte des Samuel. Samuel braucht den Anschub Gottes gleich drei Mal und vor allem die Nachhilfe seines Lehrers Eli, um zu verstehen, dass und wie Gott in seinem Leben aufscheinen will. Man mag dem Jungen seine Ahnungslosigkeit verzeihen: Auch sein Lehrer brauchte ja einen Moment, bis er die Vorgänge verstand. Doch passiert so ein Verhalten nicht nur in Herzen, die mit dem Glauben unerfahren sind. Manchmal winkt Gott überdeutlich in unser aller Leben mit dem Zaunpfahl – und wir hören und schauen lieber weg, obwohl wir eigentlich wissen und spüren, dass er da ist. Und dass er uns ruft.
Kommt und seht. So lädt Jesus die Menschen ein, Partnerinnen und Partner Gottes zu sein. So sollen wir als Kirche in heutiger Zeit einladen, mit Gott, der in uns wohnt, in Kontakt zu kommen. Unser ständiges Bemühen muss es, dabei echt und ehrlich zu sein. Wenn das Reden und Handeln der Kirche – soll heissen: von uns, den Gläubigen -, dem widerspricht, was die Frohbotschaft meint, wird das Christentum unglaubwürdig. Aber auch unser persönliches Leben soll in Einklang mit der Botschaft stehen: Wer den Glauben benutzt, um in seinen Beziehungen Hass und Zwietracht zu säen, erzählt wohl kaum von der Liebe und Barmherzigkeit unseres Gottes. Und schliesslich ruft die Verkündigung des heutigen Tages uns auch auf, wach zu sein und Phantasie zu haben: ein Gespür dafür zu haben, wann und wie Gott in unserem Leben wirkt, und nach denen Ausschau zu halten, die von uns eingeladen werden wollen: Kommt und seht.
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