Gottes leichtes Joch – Geschenk und Herausforderung
Zum 14. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A
Wenn es uns schlecht geht, freuen wir uns, wenn da jemand ist, der uns in den Arm nimmt oder auf welche Weise auch immer sein Mitgefühl deutlich macht. In der letzten Zeit der Pandemie durften wir das verstärkt spüren, wie Menschen ausdrückten, dass ihnen die Not ihrer Nachbarn nicht egal ist. Überall gab es breite Wellen der Solidarität mit Menschen in den verschiedensten Lebenslagen. Und diese Solidarität funktionierte selbst dann, wenn sich die Menschen nicht richtig begegnen konnten, nur auf Abstand. Ein Sprichwort sagt: “Geteiltes Leid ist halbes Leid”, und dafür muss man nicht einmal im selben Raum sein.
Gott mit uns – durch dick und dünn
Unser Gott macht es genauso. Selbst wenn wir seine Gegenwart nicht sehen oder anfassen können, ist er da und lebt Solidarität mit seiner Schöpfung. So hörten wir es einmal mehr heute im Evangelium. Jesus wendet sich zunächst wie jeder Beter an Gott den Vater und tut dies ganz und gar in der Tradition der jüdischen Spiritualität, wie es im jüdischen Synagogengebet oder Privatgebet üblich war. Dann aber wechselt Jesus die Perspektive. Aus dem Gegenüber eines Beters wird der Sohn Gottes, eine einzige Gottheit mit Gott dem Vater: “Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn.” Und Jesus macht seiner Zuhörerschaft deutlich: Alles Heil, was ihr durch mich erfahren habt, vielleicht sogar am eigenen Körper, ist Heil Gottes.
Die Solidarität mit dem leidenden Menschen, die Jesus zu allen Zeiten seines Wirkens an den Tag gelegt hat, ist mehr als zwischenmenschliches Mitgefühl oder Empathie – es ist die Solidarität Gottes mit seiner Schöpfung. Wenn Gott den Weg von uns Menschen mitgeht, dann heißt das nicht, dass das Leben völlig easy, so ganz einfach daherkommen wird. Wäre das das Versprechen Gottes, wäre das Leiden und Sterben des Gottessohnes völlig sinnlos gewesen. Nein, wenn Gott mit uns Menschen durchs Leben geht, dann ist sein Versprechen, dass hinter allem Schwerem, hinter allem unabwendbaren, aber auch hinter allem sinnlosen Leiden noch mehr steht. Gott wendet sich in Jesus Christus in Demut und Liebe dem Menschen zu und macht uns deutlich: Du schaffst das, du kannst das Leben bestehen! Da ist einer, der das vorgemacht, der das schwerste Joch des Lebens auf sich genommen hat: den freiwilligen Tod.
Aber das war nicht alles, denn Gott will nicht den Untergang des Menschen, sondern sein Leben in Fülle. Darum ist Jesus von den Toten auferstanden und nimmt uns auf diesen Weg mit. Paulus fasst das in eine seiner Kurzformeln des Glaubens, die wir heute in der Lesung aus dem Brief an die Gemeinde in Rom gehört haben: “Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt”. Wenn Gott also den Weg von uns Menschen mitgeht, dann tut er das nicht als fixe Idee, sondern ganz real – in der Person des Sohnes, der noch immer wieder unter uns weilt unter den Gestalten von Brot und Wein.
Gott ist realistisch
Gott verspricht nicht das Paradies auf Erden, wenn wir mit ihm sind und er mit uns. Das wäre auch widersinnig, ist doch die Schöpfung mit allem darin gezeichnet von menschlicher Begrenztheit und menschlicher Unzulänglichkeit. So können wir das Paradies auf Erden weder erhoffen noch darauf warten. Stattdessen aber sind wir eingeladen und aufgerufen, alles daran zu setzen, dass diese Erde einen Vorgeschmack des Paradieses bietet – nicht ganz generell, das wird kaum klappen, aber immer wieder punktuell, und dafür deutlich. Jede und jeder, der in Gottes Schöpfung ist, soll sich dafür einsetzen, soll dieses Joch auf sich nehmen und mitmachen.
Das beginnt ja bekanntlich im ganz Kleinen – die Zeit der Pandemie hat uns das gelehrt, an wievielen Stellen man sich den Nächsten zuwenden kann, um Heil Gottes spürbar werden zu lassen. Und diese Handeln für eine Schöpfung, in der Gottes Geist wirklich spürbar ist, kann schließlich zu einer Lebenshaltung werden. Was immer jede und jeder sich letztendlich vornimmt: Es ist oftmals Denken, Reden und Handeln, das im besten Sinn des Wortes alternativ ist, weil es nur zu oft gegen das geht, was die Mehrheit macht. Genau das hilft, dieser Erde Züge des Himmels zu verleihen.
Nun machen wir da mal was draus
Wenn wir so am Himmel auf Erden mitmachen, können wir sicher sein, dass Gott mit uns ist. Er ist dann nicht ein fremder Gott, ein Gott, der Opfer annimmt und sich dann wieder aus dem Leben seiner Schöpfung zurückzieht. Nein, er ist und bleibt Gott-mit-uns, auch dann wenn es schwierig wird.
Die Frage ist: Können wir das glauben, können wir das annehmen? Hat das eine existentielle Bedeutung für unser Leben? Für unser Leben aus dem Glauben? Oder hören wir die Worte hier in der Kirche an, messen ihnen keine Bedeutung zu und halten uns nach dem Gottesdienst lieber an Äußerlichkeiten auf, die wir in der Kirche erlebt haben. – Schauen wir hin: Wer wie der Ochse auf dem Feld ein Joch auf sich nehmen will, muss zu allererst eines machen: still stehen und den Kopf beugen. Und wer das leichte Joch Jesu auf sich nehmen will, braucht neben der Haltung der Demut auch noch die Haltung der Sanftmut, wie der protestantische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer darauf verwiesen hat. Das gilt für jeden und jede, der diese Worte der Heiligen Schrift in der Kirche hier hört, aber das gilt natürlich ganz genauso auch für jeden, der diese Worte der Heiligen Schrift verkündet.
Das Evangelium dieses Sonntags ist ein Versprechen: Mit Gott an unserer Seite können wir das Leben wagen, das er mit uns geht. Aber dieses Evangelium ist auch ein Aufruf: Weil der Gott Jesu Christi an unserer Seite ist, sollen wir dieses Leben wagen.
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