Gott will keine Helden, Gott will Normalos
Zum 3. Fastensonntag – Lesejahr B
Ein heiliges Aufräumen
Im heutigen Evangelium geht die Post ab. Jesus räumt auf. Ob dieses Ereignis so stattgefunden hat, ist unter historischer Betrachtung des Textes umstritten, aber dennoch fällt auf, dass alle vier Evangelien von dieser Tempelreinigung berichten.
Schauen wir einmal auf die Situation. Der Tempel zu Jerusalem zeigte sich damals wie so mancher Wallfahrtsort heute auch: Rund ums Heiligtum finden sich allerlei Verkaufsstände. Sind es heute eher Devotionalienläden, die den Pilgernden Frommes und weniger Frommes anbieten, waren es im alten Israel Läden, in denen die Pilgernden kaufen konnten, was zum Opferkult im Tempel benötigt wurde – so etwa auch die Opfertiere, von denen wir im Evangelium hörten. Wenn Jesus nun mit rigidem Handeln das Treiben der Händler beendet, dann hat das nicht nur mit einer Wiederaufwertung des heiligen Tempelbezirkes zu tun. Es weist darüber hinaus. Was Jesus dort im Tempel tut, hat mal zuerst einmal Heilsbedeutung. Wenn Jesus mit dem Opferkult im Tempel – im wahrsten Sinne des Wortes – aufräumt, dann tut er das, um anzukündigen, dass bald keine Opfer im Tempel mehr nötig sind, um mit Gott in Kontakt zu kommen, weil bald ein Opfer dargebracht wird, das ein für alle Male mit Gott versöhnt: nämlich Jesu eigenes Opfer am Kreuz.
Gott braucht keine Opfer
Mit zwei Aussagen deutet der Evangelist das bereits im Tempelkonflikt an. Wie Jesus seinem Zorn freien Lauf lässt, kommt bei den Jüngern das Psalmwort (69,9) hoch: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Dass dieses ‘Verzehren’ aber weit über ein ‘Ermüden’ hinausgehen und sogar das Verzehren von Jesu ganzer Existenz durch den Tod meinen könnte, das ist den Jüngern zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Dann hörten wir Jesus sagen: Reisst diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. – Und er meint den Tempel seines Leibes. Die Leute sind verblüfft – und die Jünger verstehen auch dieses Wort erst, als sie Tod und Auferstehung erlebt haben.
In der Schwachheit kommt Gottes Kraft zum Tragen
In der Tempelreinigung wird einmal mehr in überdeutlichen Bildern der Übergang vom Alten Bund zum Neuen aufgezeigt – das Alte manifestiert sich in den wehrhaften Mauern des Tempels zu Jerusalem, und der Neue Bund offenbart sich im zerbrechlichen Leib des Gottessohnes. Und mitten in diesem Gegensatz wird deutlich: Das Schwache und Zerbrechliche wird das Starke und Wehrhafte überwinden – Gottes Kraft offenbart sich im Kleinen. Der Evangelist Johannes streicht das noch viel deutlicher heraus als die anderen, indem er die Erzählung von der Tempelreinigung an den Anfang seines Evangeliums setzt. Es ist das erste Paschafest in Jesu öffentlichem Wirken. Diese Botschaft von Gottes Kraft im Einfachen und Zerbrechlichen begleitet seine ganze Verkündigung. Bei Markus, Lukas und Matthäus findet sich der Text in näherer Umgebung zur Passionsgeschichte – es gibt eine logische Verknüpfung zwischen Jesu rüdem Handeln und der Anklage vor Pontius Pilatus. Johannes hingegen lässt die Botschaft von der Kraft des Schwachen sich von Anfang an wie einen roten Faden durch sein Evangelium ziehen.
Der Mensch denkt und Gott lenkt
Der Apostel Paulus weist noch auf etwas anderes Paradoxes, Seltsames hin. Während der Evangelist Johannes uns Zuhörern deutlich macht, dass das Schwache und Zerbrechliche über das Starke und Wehrhafte siegen wird, lässt Paulus uns wissen, dass Gottes Heilshandeln wider alle Logik, wider allen Verstand geht: Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit. – Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen. Gottes Heilshandeln an den Menschen verläuft nicht entlang der Grenzen menschlicher Vernunft und Berechnung. Immer dann, wenn wir denken, wenn wir nur genug beten oder sonst wie genug fromm sind, dann muss der Weg Gottes mit uns Menschen schon irgendwie nach unseren Vorstellungen verlaufen, liegen wir in unserem Kalkül vermutlich ganz schön falsch. Und andererseits genau dann, wenn wir meinen, hier geht’s in unserem Leben sicher keinen Schritt mehr weiter, hier sieht alles völlig dunkel und verbaut aus, passiert das eben doch. So, wie wir uns unseren Gott und sein Handeln zurecht legen, geht das sehr selten auf.
So war das immer schon
Schon das Alte Volk Israel kannte dafür einige Beispiele in seiner Geschichte. Das prägendste von allen war wohl sicher das Babylonische Exil, nach dem sich das Volk wieder ganz neu erfinden musste. Aber auch das Ausreissen der israelitischen Minderheit aus dem ägyptischen Volk kann aus diesem Blickwinkel betrachtet werden. Heimatlos standen sie vor den Toren der ägyptischen Königsstadt, – wohl dem Joch der Knechtschaft entkommen, dafür scheinbar ohne Zukunft. Gott aber führt sie durch die Zeit hindurch in neues Land, wo sie sich niederlassen und gedeihen können. Und immer wieder geben sie auf dem Weg dorthin ihrem Gott eine Erscheinungsform nach eigener Vorstellung, etwa die Form eines Goldenen Kalbes. Aber das passt nie. Gott ist immer anders. Und Gott lässt sie wissen: Er wird nicht verherrlicht, wenn die Israeliten Aussergewöhnliches tun, besondere Formen der Anbetung erfinden, – Gott wird genau dann verehrt, wenn die Menschen ihr ganz normales Leben gut und gerecht leben. Etwa entlang der zehn Gebote, die wir gehört haben. Gott will keine Helden, Gott will Normalos.
Wir stehen mitten in der Fastenzeit und bereiten uns auf das Osterfest vor. An Ostern feiern wir den Sieg des Schwachen und Zerbrechlichen über das Dunkle und Starke, wir feiern den Sieg der Wege Gottes über die Logik und Vorstellungen des Menschen. – Am heutigen Sonntag sind wir aufgerufen und eingeladen, uns darauf einmal mehr einzulassen.
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