Glaube: Ohne Lust geht nix

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Zum 29. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C

Kennen Sie das? Sie sind mit einem Menschen im Gespräch und hören in dieser Kommunikation Worte, die Sie vielleicht sehr erfreuen oder tief verletzen oder sonst wie berühren. Genau dieselben Worten von einer anderen Person gesprochen können aber eine völlig andere Wirkung auf jemand haben. Warum? Wer kommuniziert, tut das halt nicht nur mit Worten, sondern mit seinem ganzen Wesen: mit seiner Gestik, mit seiner Mimik, überhaupt mit seiner ganzen Körpersprache. Und durch diese Kommunikationshelfer können wir die Bedeutung gesprochener Worte für andere verändern. Und zwar wesentlich. Auf der anderen Seite ist es ja auch so, dass es unseren Worten wesentlich was an Bedeutung nimmt, wenn wir sie durch Mimik und Gestik nicht unterstützen. Wenn wir einfach lustlos vor uns hinplappern. Das kann dann so weit gehen, dass wir bei einem Menschen ohne Mimik und Gestik vielleicht sogar daran zweifeln, ob er meint, was er sagt. Man spürt so gar kein Engagement in seiner Rede. –

Mir ist bewusst, dass diese Einleitung in die Predigt jetzt ziemlich riskant ist, denn nun werden Sie vermutlich viel genauer, soll heißen: kritischer hinschauen und hinhören, was ich denn hier am Ambo mache. Nun, ich nehme das Risiko auf mich und lade Sie ein, jetzt mit diesen Gedanken in Kopf und Herz einmal ein wenig näher aufs Evangelium zu schauen.

Nervensäge oder Kämpferin?

Da geht es nämlich auch um diese verschiedenen Arten des Engagements in zwischenmenschlicher Kommunikation. Wir hörten: Eine Witwe versucht bei einem Richter zu ihrem Recht zu kommen. Der Richter, so sagt uns der Evangelist: ein gottloser und damit auch ein gewissenloser und wie es im Text heißt: ein rücksichtsloser Mensch. In der Sache der Witwe bemüht er sich letztendlich nur, um zu verhindern, dass die Frau ihn noch länger nervt. Ansonsten ist sie ihm ganz furchtbar egal. Herzlos macht er seinen Job und fertig. –

Mit der Erzählung vom Richter und der Witwe erzählt Jesus den Freunden etwas über ihre Art und Weise, ihre Beziehung zu Gott zu leben, mit ihm zu kommunizieren, zu ihm zu beten: nämlich lustvoll, engagiert, voller Energie, mit großem Schwung und voller Überzeugung. So wie es die Witwe tut. Und schließlich die Botschaft des Evangelisten: Gott wird sich dieser Beziehung zu uns Menschen stellen. Mal mindestens wie der Richter, aber sicher noch ganz anders. Denn unser Glaube und unsere Hoffnung ist doch: Gott agiert nicht wie ein Amtsschimmel oder Bürokrat – denn Gott ist die Liebe(1 Joh 4). Sein Bekenntnis zu uns Menschen ist nicht oberflächlich verkündet, sondern er steht mit seinem ganzen Wesen zu uns. Vollendet und ganz und gar überzeugend ausgedrückt findet sich das, wenn der Gottessohn am Kreuz stirbt.

Und Ihr?

Bis zu diesem Moment ist das Evangelium ja wirklich hoffnungsvolle Frohbotschaft. Am Ende dann aber die Frage Jesu: Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden? Oder um es im Kontext der erzählten Geschichte zu fragen: Ist die Beziehung der Menschen zu ihrem Gott auch in Zukunft noch so von Schwung, Energie und Lust geprägt, wie die Witwe das vormacht, wenn sie in ihrer Angelegenheit den Richter bemüht?

Und diese Frage kommt im Evangelium auf zu einem Zeitpunkt, als die frühchristliche Kirche aus einzelnen Basisgemeinden bestand und sich erst allmählich ausbreitete und konstituierte. Und man meinen sollte, sie schäume über vor Energie. – Allgemein geht die Forschung davon aus, dass das Lukasevangelium zum Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts von einem judenchristlichen Intellektuellen verfaßt wurde: Bereits in der ganz jungen Kirche war für diesen in seinen Überlegungen also die Frage brandaktuell, was denn wohl aus dem Glauben im Laufe der Glaubensgeschichte so werden würde. – Die Frage ist geblieben. Und die Antwort?

Tatsächlich stellt sich wie in den urchristlichen Zeiten auch heute die Frage, was denn eigentlich Glauben ausmacht. Jesu Antwort durch die Geschichte heute: Glaube meint vor allem eine persönliche, eine tiefe echte Gottesbeziehung und dabei Lebendigkeit und Engagement, die ausstrahlen und andere mitreißen kann. Gelebter Glaube sind nicht fromme Sprüche und tolle Effekte oder permanente Medienpräsenz, sondern ist zu allererst einmal eine Angelegenheit meines Herzens, eine Verbindung mit meinem Gott.

Wer glaubt, ist nicht allein…

Untrennbar damit verwoben ist nun aber auch das alltägliche, ganz praktische Leben aus dem Glauben und mitten da drin die Auseinandersetzung mit all den Glaubenden rechts und links neben uns. Seinen Gefährten Timotheus lässt der hl. Paulus wissen: “Jede Schrift ist […] auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk. […] Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne, in aller Geduld und Belehrung!”(2 Tim 3,16 – 4,2)

In seiner Enzyklika “Lumen fidei” aus dem Jahr 2013 zitiert Papst Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. mit den Worten: Wer glaubt, ist nie allein (Lumen fidei 39). Dieses Wort ist allerdings nicht nur mutmachend, sondern auch herausfordernd. Denn: Wenn ich nicht allein auf dem Glaubensweg gehe, dann muss ich eben ja auch wahrnehmen, wer noch so mit mir läuft. Und muss mich mit all diesen, die da mit auf dem Weg sind, auseinandersetzen. Von Anfang der Kirche an bis heute war das so. Ungefähr zur Entstehungsgeschichte des Lukasevangeliums führte diese Tatsache zum Apostelkonzil, der ersten großen Krise der jungen Kirche. Viele weitere Konzilien folgten, an denen die Kirche reifte und wuchs.

Heute befinden wir uns wieder weltkirchenweit in einem solchen Prozess – wir gehen auf dem Synodalen Weg. Für viele ist dieser Prozess ein Kampfplatz, auf dem sie sich austoben wollen. Andere erkennen in ihm eine furchtbare Bedrohung für unsere Glaubensgemeinschaft, die man mit allen Mitteln wie Boykott und Bestrafung abwehren muss. – Wer sich aber so auf die eine oder andere Art an die Gemeinschaft der Glaubenden heranmacht, macht allen deutlich: hier wird zuerst um die eigene Haut gekämpft (statt genau sich selbst zurückzunehmen), aber nicht für die Sache Jesu.

Wo Glaube zu finden ist, da existiert ein gemeinsamer Nenner, der Lust macht und ermutigt, sich in gegenseitigem Wohlwollen kontroverser Haltungen anzunehmen und mit ihnen arbeiten zu lernen. Wo das einigende Band des Glaubens ausfällt, bleiben am Ende nur Auseinandersetzung und Konflikt übrig. Das gilt in dieser Kirche für alle – vom Bischof bis zur Ministrantin. Und an allen Orten: von der Weltkirche über die Ortskirchen bis hin zu jeder einzelnen Pfarrei.

Richter und Witwe lassen uns an diesem Wochenende wissen: Seid Feuer und Flamme für euren Gott, der ganz bestimmt mit euch ist; zeigt den Menschen, wofür euer Herz brennt; seid sichtbar als diese Gemeinschaft der Glaubenden – und dann streitet euch um all das lustvoll.

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