Für wen halten mich die Leute? – Frag Insta!

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Zum 12. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C

Mehr Schein als Sein

Für wen halten mich die Leute? – Eine ganze Industrie der Selbstvermarktung macht heutzutage ein Riesengeschäft mit dem Versuch, Antworten auf diese Frage herzustellen. Firmen, Gruppen, Parteien , auch die Kirchen und einzelne Personen lassen sich professionell beraten, wenn sie in den traditionellen Massenmedien oder in Social Media ihr Profil darstellen und vermarkten wollen. Da geht es darum, Wünschen, Vorstellungen, Hypes oder Trends der Kundschaft oder der Wählerschaft zu entsprechen. Die Algorithmen des Internets verarbeiten Informationen, die sie von den Usern eingefüttert bekommen, weiter und optimieren die Bilder. Echtheit von Charakteren, Wahrheit von Aussagen? – zweitrangig bis völlig egal. In Bildungsinstitutionen wie Schulen und Universitäten plagen sich die Verantwortlichen mit dem Umstand, dass immer schwieriger abgeschätzt werden kann, ob wissenschaftlicher Output der Forschenden wirklich ein Ergebniss ihres Könnens ist und damit ein Bild ihrer wissenschaftlichen Qualität abliefert oder eben eher ein Resultat der Automatismen des Internets ist. Und nach dieser Einleitung frage ich: Was glauben Sie nun, wer diese Predigt gemacht hat?
Sein war gestern – Schein zählt heute.

Vom Stress der Rollen

Für wen halten mich die Leute? – Auf der anderen Seite wissen wir aus unseren eigenen Erfahrungen, dass wir, wo immer wir stehen und gehen, in Rollen leben, denen wir gerecht werden müssen, wenn wir sozial existieren und überleben wollen. Wer als Familienmitglied, als Freundin oder Freund, als Arbeitskollegin oder Arbeitskollege, überhaupt als Mitmachender in den Situationen des täglichen Lebens aus der Rolle fällt, erlebt mal schnell sein blaues Wunder, sieht sich an den Rand gedrängt, ist in vielen Momenten des Lebens ein Outsider. Man muss schon sozial höchstkompetent sein und ein sehr trainiertes Ego haben, wenn man die Reaktionen der Umwelt auf ganz alternative Lebenswege oder sehr ungewöhnliche Denk- oder Verhaltensweisen aushalten will. Geschmeidiges Anpassen kommt immer mehr vor Charakteren mit Ecken und Kanten. Selbst in der Kirche sind diese Fragen ein tägliches Geschäft. Das war auch schon ganz anders.

Reputation? – Egal!

Für wen halten mich die Leute, fragt Jesus seine Freunde. Der Evangelist Lukas präsentiert uns heute ein Lehrstück über das Wesen des Gottessohnes. Für wen halten mich die Leute – die Antworten, die ihm die Freunde präsentieren, sind Jesus eigentlich egal. Mit dem Thema `Reputation´ hat es der Gottessohn nicht so. Interessanter für ihn ist da eher das Bekenntnis seines direkten Umfeldes, jener Menschen also, auf die er durch Worte und Taten eingewirkt hat. Petrus, Sprecher und Erster im Apostelkreis antwortet: Für den Gesalbten Gottes. Der Evangelist präsentiert mit diesen Worten, die er Petrus in den Mund legt, eine Lehre und Überzeugung von seinem Gottesbild im klaren Wissen: Das kann keiner verstehen, noch wird es vermutlich jemand gut finden: Jesus befahl ihnen und wies sie an, es niemandem zu sagen. Seine Freunde aber zieht Jesus ins Vertrauen und legt ihnen dar, was es heisst, sein Jünger zu sein: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. – Die Rede von der Kreuzesnachfolge lässt manchmal ein wenig erschrecken und meinen, Christsein bedeutet vor allem mal, den Freuden Lebens zu entsagen und das Schwere und Leidvolle zu suchen. Jesus selbst hat immer wieder gezeigt, wie wenig diese Idee mit dem Aufruf zur Christusnachfolge vereinbar ist. Die heutige Evangeliumsperikope gibt einen Hinweis darauf, was Kreuzesnachfolge tatsächlich meint. Kreuzesnachfolge ist das exakte Gegenteil von der Antwort auf die Frage: Für wen halten mich die Leute?

Wer bin ich

Es geht vielmehr um Antworten auf Fragen wie: Wer bin ich? Wozu hat Gott mich berufen? Was will er von mir? Wie gestalte ich meinen Lebensweg in seinem Licht? Mit Antworten auf diese Fragen punktet man vielleicht nicht im Licht der Öffentlichkeit, auch nicht im Licht der kirchlichen Öffentlichkeit, nicht auf Facebook oder Instagram, aber: vor Gottes Angesicht. Denn dann stehen wir treu zu dem, was Gott aus uns gemacht hat; dann gehen wir ehrlich und echt den Lebensweg, den wir für uns erkannt haben, weil Gott uns auf ihn gesetzt hat. – Und das ist sicher oft genug Hochfest und Freude, manchmal vielleicht aber auch schwieriger zu erkennen und zu ertragen – eben wie ein Kreuz. Aber all das meint vor allem: authentisch leben.

Eins in Christus

Als Erbinnen und Erben der Verheissung, wie Paulus in der Lesung seine Zuhörerschaft und Leserschaft anspricht, gehen wir nur dann wirklich in Jesu Fussspuren, wenn wir uns in unserem Leben so gut es geht, unserer Existenz als Gottes Geschöpfe bewusst sind, meint: leben, was wir sind, – nicht, was wir – gemäss Anderen – sein sollen. Die eingangs aufgezeigten Überlegungen zeigen aber auch auf, wie delikat ein solcher Lebensstil manchmal ist. Ja, wir haben Rollenerwartungen zu erfüllen. Ja, wir leben in Umfeldern, die uns herausfordern. Da ist dann aber auch dieser aus der Taufliturgie bekannte Satz des Apostels: Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid eins in Christus Jesus. Damit zeigt er den Fokus auf, die Richtschnur, an der wir unser Leben entlang gestalten sollen. Und niemand weiss es besser als der Völkerapostel, dass da Fehler und Scheitern inklusive sind. Dann heisst es: neu ausrichten. Christus ist das Ziel, nicht der Start.

Wenn einer mir nachfolgen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Wir dürfen uns darauf verlassen: Der, der diesen Weg vorangegangen ist, geht ihn auch stets mit uns an unserer Seite.

 

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