Eine Rede zum kirchlichen Marketing
Zum 28. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A
Es ist kompliziert
Der Evangelist Matthäus hat es mit den Gleichnissen. – In diesem Matthäus-Lesejahr hören wir immer wieder welche davon. Gleichnisse haben den Vorteil, dass sie die Botschaft des Erzählers nicht mit einem einzigen Begriff eins zu eins abbilden, sondern vor allem auch zwischen den Zeilen erzählen können. Dadurch wird die Erzählung komplexer. Gleichnisse leben von Details, von Nuancen, die durchaus wichtiger und interessanter sein können als die scheinbare Kernbotschaft, die in den Gleichnissen oftmals gleich zu Beginn markiert ist.
Heute hören wir ein langes Gleichnis – genau genommen sind es eigentlich zwei, die unterschiedliche Botschaften transportieren, auch wenn der Evangelist Matthäus seine Kernbotschaft gerade zu Anfang wieder deutlich aufscheinen lässt: Es geht um’s Himmelreich.
Eingeladen zum Fest des Glaubens
Die Hauptfigur der Erzählung: der König, Herrscher des Himmelreiches – Gott selbst. Der erste Teil dieses langen Gleichnisses spiegelt nun die bösen Erfahrungen der matthäischen Gemeinde zu Beginn der Frühen Kirche wider. Im Zusammenhang des Evangeliums wird dies sehr deutlich, wenn wir sehen, dass sich das Gleichnis kurz vor dem Kontext der Leidensgeschichte Jesu findet. Wir hörten: Zur Vermählung der irdischen Kirche mit dem Himmelreich, zum Erlösungsgeschehen, das im Gottessohn Jesus seinen Höhepunkt, den Hochzeitstag, erlebt, will keiner kommen. Man lehnt mit allerlei Ausreden ab. Soll heißen: Diejenigen, an die sich die Heilsbotschaft richtet, pfeifen drauf. Ihnen allen voran: die Verantwortlichen der Synagogengemeinden, die Pharisäer und Sadduzäer. Nicht nur das: Sie verfolgen sogar noch die Diener am Heilswort, die Ersten der Frühen Kirche, – und das mit aller Härte. Damit das Evangelium, die Heilsbotschaft, aber nicht untergeht, braucht es nun ein anderes Publikum als das von Jerusalem.
Man geht heute davon aus, dass das Evangelium des Matthäus im heutigen Syrien entstanden ist und die Gemeinde dort nicht mehr einen jüdischen Hintergrund hatte wie die ersten Gemeinden in Jerusalem: Geht also an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein!, ruft der König den Dienern zu. Zur selben Zeit – wir schreiben das Jahr 70 nach Christus – fällt auch noch die römische Armee in Jerusalem ein, plündert die Stadt und zerstört den Tempel – davon erzählt der Text ebenso: Der König wurde zornig; er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen. Die Eroberung Jerusalems als Strafe Gottes.
Die Warnung des Autors des Matthäusevangeliums an die Umgebung der Frühen Kirche: Vergreift euch nicht an der Nachfolgegemeinschaft Jesu: Das kommt am Ende schlecht. Und für alle, die Jesus folgen wollen, der Trost: Auch wenn ihr Unheil erfahren müsst, es kommt in allem Chaos schließlich schon gut für euch.
Mode kann man kaufen – Stil muss man haben (Coco Chanel)
Allerdings nicht einfach so. Davon handelt der zweite Teil des Gleichnisses. Die Erzählung vom Gast, der sich nicht recht kleidet, richtet sich nun direkt an die Jüngerinnen und Jünger Jesu: Freund, wie bist du hier ohne Hochzeitsgewand hereingekommen?, fragt der König diesen auffälligen Gast. Nun kann man sich ja über Geschmack und rechten Stil streiten, aber im Fall des genanntes Besuchers schien die Sache klar. Der König lässt ihn rauswerfen und sogar bestrafen.
Die Botschaft des Evangelisten an die Frühe Kirche auch hier wieder von schmerzhafter Deutlichkeit: Es reicht nicht, einfach nur dazugehören zu wollen, um vielleicht innerhalb einer gleichgesinnten Community persönliche, wirtschaftliche oder sonst irgendwelche Vorteile zu erheischen. Der Mensch, der bei dieser Hochzeit mitfeiern will, muss nicht zur Familie, nicht zum selben Haushalt oder zur selben Gesellschaft, nicht zur selben Kultur oder Sprache gehören, aber er soll alle spüren lassen, dass er mit ganzen Herzen dabei ist.
Zeigen, wo das Herz hängt
Das Matthäus-Evangelium ruft die Frühe Kirche am Endes des 1. Jahrhunderts auf zu einer Gesinnung, die alle wissen lässt, was es meint, Jüngerin oder Jünger Jesu zu sein. Eine Botschaft, die die Nachfolgemeinschaft Jesu, die Kirche, auch heute mit voller Wucht trifft und an Aktualität kaum zu überbieten ist. Was braucht es von jedem Einzelnen und jeder Einzelnen von uns, dass das Hochzeitsmahl ein Fest wird, dass die Kirche überzeugend vom Himmelreich erzählt.
Das Thema “Missbrauch” ist sicher gerade das Gewand, in dem die Kirche am unpassendsten in dieser Welt daherkommt. Aber es ist auch nicht das einzige, was nicht stimmt. Auf der anderen Seite erzählt das Gleichnis von einem einzigen Menschen, der dem König beim Hochzeitsfest negativ auffällt – inmitten einer größeren Festgesellschaft, die sich anscheinend weitestgehend passend verhält. Heißt das also im Sinne des Gleichnisses: Im Großen und Ganzen sind wir schon richtig unterwegs?
Halten wir, was das Evangelium verspricht?
Während uns die Lesungen des heutigen Sonntags mit den persönlichen Erfahrungen und Herausforderungen im Leben der Glaubenden konfrontieren, stellt das Evangelium die wesentlich heiklere Frage nach der Außenwirkung der christlichen Glaubensgemeinschaft. Oder anders formuliert: Das Evangelium vom heutigen Sonntag ist ein Workshop zu kirchlichem Marketing. Fragen die Lesungen danach, wie es jedem Einzelnen und jeder Einzelnen im Glaubensleben geht, konfrontiert uns das Evangelium mit der Frage: Halten wir in den Augen der Menschen, was das Evangelium verspricht? Wie stehen wir da in der Welt von heute? Sind Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, […] auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi, wie es das II. Vatikanum eindringlich gefordert hat? Oder will man mit der Nachfolgegemeinschaft Jesu das Leben lieber nicht teilen, weil sie alles andere als sexy daherkommt? – Das ist nicht nur eine Frage an Verantwortliche in der Kirche, sondern an jede Gläubige und jeden Gläubigen.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!