Die Bürgenstock-Friedenskonferenz – droht ein mediatorisches Desaster?
Eine Friedenskonferenz also. Die Schweiz bietet ihre Guten Dienste an zugunsten eines Friedens in der Ukraine. Das ist wunderbar.
Solche Ankündigungen lassen das Herz höher schlagen. Auch Ukrainerinnen und Ukrainer in meinem Umfeld, die hier in der Schweiz ansässig sind und damit nicht unmittelbar von der russischen Invasion betroffen, leiden, wenn sie ihre Heimat in Schutt und Asche versinken und Familie und Freunde sterben sehen. Hat man mit ihnen zu tun, steckt der Schmerz an. – “Wie der Name bereits verrät, ist das Ziel der Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock, ein gemeinsames Verständnis der teilnehmenden Staaten zu entwickeln im Hinblick auf einen umfassenden und dauerhaften Frieden in der Ukraine” (Kanton Nidwalden): Kommt da hoch über dem Vierwaldstättersee also nun der grosse Durchbruch und damit der Friede? Schön wäre es – wahrlich. Einiges jedoch lässt zweifeln.
Und alle wollen den Frieden?
Vor einigen Tagen meldete der Tagesanzeiger, die Schweiz habe einhundertsechzig Delegationen auf den Bürgenstock eingeladen. Man darf staunen – und fragen: Was wollen die alle da? Fakt ist doch: Der russische Aggressor ist in die Ukraine einmarschiert und hat nach 2014 bereits zum zweiten Mal die Souveränität dieses Landes verletzt. Mit dem Angreifer und den Angegriffenen gibt es also zwei Parteien, die demzufolge an den Verhandlungstisch gehören. Aber die anderen?
Keep it simpel
Der politische Experte wird vermutlich jetzt mit einem mitleidigen Lächeln im Gesicht einwenden, dass solch ein Fragen naiv sei. Schon möglich. Aber in der Mediation, in der Kunst der Konfliktlösung, ist es wie in der Bibelexegese: Die einfachste Lesart führt oftmals am ehesten zu einer überzeugenden Lösung. Und jede Komplikation, die nicht unbedingt vonnöten ist, gilt es wegzulassen, damit sich das Thema, das Problem, der Konflikt möglichst unverstellt zeigen kann. Weil das die Konfliktpartien nicht schaffen, da sie gerade mit Angriff oder Verteidigung busy sind, engagieren sie einen Helfer: einen Mediator, eine Mediatorin. Dessen / deren Job ist es, zu veranschaulichen, aufzuräumen, klarzustellen, zu thematisieren, bis nichts anderes mehr auf dem Tisch liegt als: der Konflikt. Einhundertsechzig Parteien, die da fleissig mitmischen, sind für ein gutes mediatorisches Arbeitsergebnis eine denkbar schlechte Voraussetzung. Nicht nur für die Anwohnerschaft des Bürgenstocks drohen das chaotische Tage zu werden. Eine russische Delegation ist übrigens nicht eingeladen: Warum auch – sie brauchen für Frieden eigentlich keine Konferenz, sondern allein einen Willen.
Gute Dienste für wen?
Die beteiligten Kriegsparteien werden also unvollständig anwesend sein, hingegen tummeln sich da zahllose Unbeteiligte. Stellt sich die Frage: Was passiert denn da nun eigentlich wirklich hoch überm Vierwaldstättersee? Wem und wofür leistet die Schweiz denn jetzt die Guten Dienste? – Spielt sich auf dem Bürgenstock in wenigen Tagen so eine Art Weltwirtschaftsforum der Waffenindustrie ab – weniger aus Interesse am Frieden, sehr wohl aber am grossen Umsatz?
Und in der Ukraine geht das Töten weiter.
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