Dem Leben verpflichtet

Zum 10. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C

Paul Hansen, Beisetzung in Gaza

Mogeln für eine gute Sache
Vor wenigen Wochen wurde das ein Bild des schwedischen Fotografen Paul Hansen mit dem World Press Award 2013 in der Kategorie ‘Einzelsujets’, der höchsten Auszeichnung für Pressefotografen, versehen. Es trägt den Titel “Beisetzung in Gaza” und zeigt auf erschütternde Weise, wie eine Familie zwei kleine Kinder zu Grabe tragen muss, die bei einem Bombeneinschlag getötet wurden. Nachdem man einmal die furchtbare Wirkung dieses Bildes durchlebt hat und sich auf das Gezeigte mehr einlassen kann, kommt es einem merkwürdig vor. Das Bild ist sehr berührend, es geht unter die Haut, es rüttelt auf und das zum einen durch die abgelichtete Szene, aber auch durch die erzeugte Atmosphäre. Doch irgendwie lässt die Komposition des Bildes vor allem in Licht und Schatten den Betrachter meinen, dass man das selbst mit der eigenen Kamera so nie hinbekommen könnte. Und tatsächlich: Paul Hansen hat inzwischen zugegeben, das Bild mit Computer-Software leicht verändert zu haben. Durch diese Veränderung hat das Bild im Vergleich zum Ursprungsbild immens an Ausdruck gewonnen: In der Sache ist nichts verändert, aber eben sehr wohl in der Bildstimmung. Heiss wird nun diskutiert: Darf man das? 

Was ist Wirklichkeit
Eines aber ist dabei unbestritten: Die Botschaft des bearbeiteten Bildes ist akzeptiert und das Bild verfehlt seine Wirkung auf keinen Fall. Durch diese Gestaltung von Licht, Schatten und Farben wird der Betrachter tief in das Grauen der Auseinandersetzungen im Nahen Osten mit hinein gezogen. Was auch immer der Fotograf an Tatsachen abgelichtet hat: Die Botschaft im Bild ist unmissverständlich. Und man wird es dem Fotografen wohl kaum zum Vorwurf machen wollen, sich an die Seite leidender Kriegsopfer gestellt und ihre Schmerzen mittels technischer Hilfe auch im Bild eindringlichst wiedergegeben zu haben.

Es geht um Leben und Tod
Unter einem ähnlichen Blickwinkel möchte ich das heutige Evangelium betrachten. Das Evangelist Lukas zeigt in seinen Darstellungen immer wieder ein grosses Interesse am heilsamen Wirken Gottes an den Menschen. Wo nur der Mensch allein wirkt, sind Grenzen gesetzt. Das gilt nicht nur für die Heilkunst, das gilt für alles menschliche Tun.
Und mitten in diese menschliche Begrenztheit bricht einer ein, mit dem Lukas letztendlich erleben muss, dass der vor keiner Grenze halt macht – auch nicht vor der Grenze des Todes. Dieser Gottessohn verspricht nicht nur Leben in Fülle, an seinem eigenen Leben geht dieses Versprechen auf. Lukas war gepackt und wurde ein Botschafter dieses Messias. Und er hat seine Botschaft den Menschen nahe gebracht mit den Mitteln – mit den Bildern und Worten -, die er hatte.

Dabei spielt dann keine Rolle, ob sich die Geschichte so zugetragen hat oder nicht. Dabei spielt auch die so oft diskutierte Frage naturwissenschaftlich orientierter Menschen keine Rolle, ob sich die Geschichte überhaupt so hätte zutragen können. Die Geschichte der Auferweckung des Jünglings von Naïn ist kein medizinischer Bericht, sondern zu allererst ein Glaubenszeugnis. Der Kern: Mitten im Leben den Mächten des Todes widerstehen, weil Gott selbst von diesen Mächten frei macht. Und diese Aussage hat Lukas nicht mit technischen Mitteln verstärkt wie der Fotograf, sondern mit drastischen Beschreibungen.

Es ist noch nicht Schluss
Dem jungen Mann ruft Jesus zu: “Steh auf! – Wende dich gegen den Tod dem Leben zu!” Schon vor seinem eigenen Sterben und Auferstehen setzt Jesus deutliche Wegmarken, – zeigt, was Kern seiner Mission ist: einen Gott des Lebens in diese Welt zu verkünden. Und da steht Jesus in einer langen Tradition, die er gleichsam krönt: Auch vom Propheten Elija hörten wir, dass er das Leben der Menschen in Gott erneuert. Die Witwe, deren Sohn wieder lebt, bringt es auf den Punkt, um den es geht – über Elija sagt sie: “Jetzt weiß ich, dass du ein Mann Gottes bist und dass das Wort des Herrn wirklich in deinem Mund ist.”

Nicht (nur) für die Ewigkeit
Einst einmal auferstehen zu neuem Leben ist aber nicht nur eine ganz besondere – eine göttliche – Verheissung. Dieser frohen Botschaft soll auch eine Vorerfahrung im Hier und Jetzt vorangehen. Auferstehungserfahrung ist nicht einfach ein Trost für all jene, die die Schrecken des Diesseits gemeistert haben. Im Evangelium hörten wir auch diese Botschaft geschildert. Vor der Auferweckung des jungen Mannes heisst: “Als er in die Nähe des Stadttors kam, trug man gerade einen Toten heraus. Es war der einzige Sohn seiner Mutter, einer Witwe. Und viele Leute aus der Stadt begleiteten sie.” – Der Tod hat den jungen Mann aus all seinen Bezügen gerissen, völlig von den Menschen getrennt. Das aber passiert nicht nur im leiblichen Tod – wieviele Menschen um uns herum sterben immer wieder auch den sozialen Tod, weil sie ausgegrenzt und weggeschoben werden oder einfach dem Blickwinkel ihrer Umwelt entschwinden.
Und dann das: “Jesus gab ihn seiner Mutter zurück.” Die Heilsbotschaft unseres Gottes bringt uns Menschen ins Leben zurück, immer wieder neu – hier, mitten in dieser Welt, nicht erst in der Ewigkeit. Und schliesslich gilt dann auch: Wenn Gott das Leben der Menschen erneuert, ist das immer auch eine Gabe zum Weiterschenken: Uns ist es aufgetragen, die gute Nachricht vom Leben in dieser Welt zu verkünden und vorzuleben – gegen so viele Mächte des Todes, die herrschen.

Der Evangelist Lukas wie auch der Prophet Elija haben aus der Kraft ihrer Berufung und auf dem Fundament des Glaubens die Option für das Leben gewählt. Lassen wir uns von ihren eindringlichen Worten und Bildern berühren, um einzutreten für das Leben in Fülle aller – nicht irgendwann und irgendwo, sondern hier und heute.

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