Christus König? – Um Himmels willen!
Zum Christkönigssonntag 2020 – Lesejahr A
Wir sind nicht verwöhnt mit Vorbildern von Königen oder von Staatsoberhäuptern. Nicht, dass es sie nicht gäbe – glücklicherweise schon noch. Quer durch die Geschichte lassen sich immer wieder zahlreiche Staatsoberhäupter oder andere politisch Verantwortliche ausmachen, die wirklich als Vorbilder dienen können. Aber gerade die allerjüngste Zeit, etwa auch mit einem Blick auf die US-Wahlen, hat uns vor Augen geführt, wie das aussehen kann, wenn sich Macht mit Arroganz, unermesslicher Rücksichtslosigkeit und grenzenlosem Egoismus paart. Wie soll man angesichts solcher Situationen vor allem Heranwachsenden Vertrauen in politische Verantwortliche vermitteln, wenn diese es mit aller Kraft darauf anlegen, dass man ihnen nicht vertrauen kann. Natürlich mag ein bisschen Glanz und Glamour um eine Person was ganz Faszinierendes sein, rückt aber die Person ausschließlich an die Stelle der Sachthemen, dann war es das.
Nix mit Thron – Krippe und Kreuz!
Die Kirche feiert heute das Fest Christus König. Wenn wir uns diesem Fest mit unseren weltlichen Vorstellungen und Maßstäben von einem Königtum, von einer Herrschaft annähern, muss unser Verstehen und Meditieren scheitern. Das Christkönigsfest ist vielmehr das genaue Gegenteil von dem, was wir uns unter Herrschaft üblicherweise vorstellen. Und das macht es ziemlich provokant. Das Christkönigsfest ist herausfordernd, weil es uns etwa fragen lässt, welche weltlichen Ausdrucksformen wir unserer Christusbeziehung geben. Schaffen wir es, unseren Glauben so zu leben, dass das Herrschaftliche der Allmacht Gottes wohl zum Schwingen kommt, aber trotzdem in unserem Glaubensleben die Atmosphäre einer Krippe und eines Kreuzes gewahrt bleibt? Schauen wir uns auch in der Kirche um, entdecken wir nur zu oft, wie das in manchem Pomp und mancher kirchlicher Selbstdarstellung so richtig schief geht.
Christus – vereinnahmt?
Aber gucken wir näher hin. Das Christkönigsfest ist ein Ideenfest. Es zelebriert einen Gedanken, eine Wahrheit unseres Glaubens, kein Heilsereignis wie etwa Weihnachten oder Ostern. Es wurde von Papst Pius XI. im Jahr 1925 zum 1600. Gedenktag einer ökumenischen Versammlung der Kirche, des Konzils von Nizäa, eingerichtet – so der äußere Anlass. Zugleich bot dieses Fest aber wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg auch die Möglichkeit, die Bedeutung des Untergangs verschiedener europäischer Monarchien und die Bedeutung der weiter bestehenden Herrschaftshäuser vor einem christlichen Hintergrund zu reflektieren. Neben einem frommen Hintergrund lässt sich also auch ein ganz realpolitischer Charakter dieses Festes ausmachen.
Zu diesem Fest hörten wir die matthäische Erzählung vom Weltgericht. Maßstab dieses Gerichts ist das Handeln für das Wohl des Nächsten. Die Idee von der Solidarität mit dem Menschen in Not zieht sich ja durch die ganze biblische Tradition. Wer in Not ist, kann einem Frommen nicht egal sein, denn “wer den Armen verspottet, schmäht dessen Schöpfer“ (Spr 17,5a). Die neutestamentliche Botschaft geht nun aber gegenüber dem Alten Testament noch einen entscheidenden Schritt weiter. Sie ruft nicht nur auf zu Solidarität mit dem armen Menschen um dessentwillen, es geht nicht nur einfach um den Nächsten wegen dessen Person – die neutestamentliche Botschaft ruft auf zu Solidarität mit dem Armen um Christi willen. Weil der Gottesssohn Solidarität mit uns Menschen über jegliche Grenzen hinaus gelebt hat und sogar sein Leben gegeben hat, sollen wir auch Anteil haben an dieser Art von Solidarität, die eben wesentlich mehr ist, als einfach nur gut und nett zu sein.
Paulus schreibt an seine Gemeinde in Korinth, so hörten wir: “Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.” Und lässt uns damit wissen: Wir alle, die wir auf Christi Tod getauft sind, leben auch mit ihm. So geht göttliche Solidarität. Die Konsequenz ist aber, dass wir in unserem Leben, in unserem Wirken von dieser Solidarität ein Zeugnis geben sollen. Wir sollen Solidarität – Nächstenliebe – um Christi willen praktizieren. Und so eine Nächstenliebe um Christi willen fragt zuerst nach dem Anderen und erst dann nach der eigenen Person. Wenn das nicht wahrhaftig eine Herausforderung ist.
Christus – Vorbild für alle Welt
Der Christkönigssonntag ruft uns nicht nur zur Nächstenliebe, die den Anderen allem voran stellt, er ruft uns auch zu einer Machtausübung, die immer zuerst den Anderen und seine Bedürfnisse im Blick hat. Eine Steigerung aller Herausforderungen. Und dabei ist wichtig: Macht meint nicht nur politische oder wirtschaftliche Macht. Macht haben wir immer dann, wenn wir für Andere eine Verantwortung übernommen haben – sei es in der Familie, am Arbeitsplatz, ja sogar in Freundeskreisen. Stets, so die Botschaft des Christkönigssonntags, sollen wir uns so verhalten, dass der, der arm, klein, erniedrigt, schutz- und machtlos ist, ermächtig wird, ganz und gar zu seiner Geschöpflichkeit zu finden kann, Sohn oder Tochter Gottes sein kann. – Denn alles, was wir zum Aufbau eines Anderen tun, das, so das heutige Evangelium, tun wir zum Gedeihen von Gottes endloser Liebe unter uns Menschen.
Wir sehen: Der Christkönigssonntag ist nicht einfach nur so der letzte Sonntag im Kirchenjahr, nach dem dann der Advent beginnt. Der Christkönigssonntag und seine Botschaft haben es in sich. Und diese Botschaft des heutigen Sonntags wird umso brisanter, je mehr wir als Christinnen und Christen feststellen müssen, wie eben in Macht- und Herrschaftssituationen nicht der Andere, sein Wohl und Heilwerden im Vordergrund stehen, sondern Kalkül und Eigeninteressen. Selbst in der Kirche. Selbst wenn dieser Christkönigssonntag kein Ereignis aus der Heilgeschichte feiert, sondern eine Idee, eine Glaubenswahrheit, so können wir doch feststellen, wie dringendst notwendig er ist.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!