Bericht aus Abu Dhabi: Modernes Nomadentum
Im Logo des Apostolischen Vikariates Südliches Arabien findet man in der Mitte ein Abbild der Heiligen Familie – was vielleicht überraschen mag. Der entscheidende Hinweis dazu findet sich im Traum des Josef, der mit dem Befehl endet: «Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten» (Mt. 2,13b).
Die Kirche Südarabiens versteht sich als Kirche unter dem Patronat der Heiligen Familie auf der Flucht. Nicht etwa, weil die Menschen hier Flüchtlingsschicksale teilen müssten – viele Menschen hier sind sesshaft und haben es zu Wohlstand gebracht. Was allerdings das Schicksal unzähliger Wanderarbeiterinnen und -arbeiter nicht verschleiern darf, die in oft unfair bezahlten oder in unsozialen Arbeitsverhältnissen leben und die ebenfalls einen bedeutenden Teil dieser Ortskirche ausmachen.
Das Beispiel der Heiligen Familie auf der Flucht wirkt vielmehr vor dem Hintergrund der Lebensbedingungen hierzulande. Die arabischen Länder sind immer eine angenommene oder vorübergehende Heimat – eine grosse Dynamik in der Gestaltung des Lebens ist daher selbstverständlich: Man wird vielleicht hier geboren, wächst hier auf und geht hier zur Schule. Oder man findet hier für eine Zeit einen Job, der besser bezahlt ist als in der Heimat. Wer jedoch – ob jung oder pensioniert – keine Arbeit findet, der muss das Land verlassen und in das ursprüngliche Herkunftsland zurückkehren. Das gilt für jene, die hier geboren wurden, und für die Zugewanderten gleichermassen. Für den katholischen Anteil der Bevölkerung – in den Emiraten zusammen mit Jemen und dem Oman ungefähr eine Million Gläubige – ist also das Vorbild der Heiligen Familie auf der Flucht ein Stück weit das eigene Leben.
(Quelle: forum 03/2016)