Am Kreuz, nicht auf dem Thron: Christus König
Zum Christkönigssonntag – Lesejahr C
Die totale Alternative
Jesus war ein Alternativer, sein Leben eine Alternative zum Mainstream seiner Zeit, seine Botschaft vom Heil eine Alternative zu mancher Lebensart – auch noch in unserer Zeit. Die einen mag diese Erkenntnis begeistern, andere erschreckt sie vielleicht. Einmal mehr fällt die Radikalität der jesuanischen Alternative auf an diesem letzten Sonntag im Jahreskreis, am Christkönigssonntag.
Wir hören von diesem Sonntag und haben dabei vielleicht noch die Bilder vom großen Staatsbegräbnis der verstorbenen englischen Königin Elizabeth II. im Kopf. Sogar nichts davon bietet der Gottessohn, von dem der Apostel Paulus sagt: In ihm wurde ALLES erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen. Was Paulus glaubend erkennt und bekennt, konnte von den Umstehenden auf der Schädelhöhe bei Jerusalem kaum keiner auch nur erahnen: Wie ein gemeiner Verbrecher stirbt Jesus auf die schlimmste Weise, die das damalige Gesetz vorsah. Und dann war da doch einer, der eine leise Ahnung hatte von dem, was da wirklich geschah; einer, von dem man es eigentlich am wenigsten vermutete: Einer, der wirklich ein Verbrecher war, erkennt das Unrecht, das neben ihm geschieht, und weist den spottenden Mittäter in seine Schranken. Schließlich bittet er den Gottessohn darum, im Tod jenes Gottes Heil erfahren zu dürfen, was ihm zu Lebzeiten entgangen ist.
Sind das Szenen aus einem royalen Kontext?
Herrschaft – nicht von dieser Welt
Am Kreuz hängt Jesus nackt, allem beraubt, was ihn bedecken könnte. Gezwungenermaßen präsentiert er sich der umstehenden Öffentlichkeit so, wie er wirklich ist. Alles stellt er aus – nichts bleibt intim. Dem König aller Welt ist alles genommen, was irgendetwas hermachen könnte. Von Schmuck und Pomp gar nicht zu reden. Das Haupt ist nicht stolz erhoben, sondern von Dornen malträtiert, der Leib ist gebrochen. Über genau ihn schreibt Paulus: Er ist Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
Und wieder die Frage: Sind das Szenen aus royalem Kontext?
Schließlich die Beerdigung des Gekreuzigten. Sie kommt im heutigen Evangelium nicht vor. Aber wir wissen: Ein Gönner stellt ein neues Grab bereit. Immerhin im Tod erfährt der Geschundene, Gemarterte, Ermordete eine erste Wertschätzung. Wie beim jüdischen Begräbnis üblich erweisen Frauen dem Leichnam die Ehre: Sie salben ihn mit teuren Ölen und geben ihn nicht einfach so dem Verfall preis.
Aber: Ist das schon königlich?
Am Ende steht der Anfang
Das war aber nicht alles – hier ist nicht Schluss. Knapp drei Tage später ein Gerücht, eine Meldung, eine großartige Kunde: Jesus lebt. Die Erniedrigung, die Gewalt, die Verachtung – alles zählt nicht mehr. Er ist auferstanden und “lebt wirklich”. Das ist wirklich majestätisch, aber eben so gar nicht nach menschlichen Maßstäben.
Im Jahr 1925 hat Papst Pius XI. dieses Fest des Christus König eingesetzt – im Angesicht des Untergangs von europäischen König- und Kaiserreichen und gerade nur wenige Jahre nach dem Ende des ersten Weltkriegs. Die Kirche ließ die Menschen wissen: Gerade nach Kriegsende mit schlimmsten Verlusten und Opfern, und nach Umstürzen und Abdankungen regiert nur einer wirklich und nachhaltig zum Wohl seiner Schöpfung: Christus. Und seine Herrschaft hat ausdrücklich gar nichts gemein mit Pomp und Arroganz weltlicher Fürsten. Die Reiche der Welt vergehen und haben nur auf übersichtliche Zeit Bestand. Christus aber – in Einfachheit, Demut, ganz leise und ohne weltliche Ansprüche – regiert machtvoll durch alle Zeiten.
Wir feiern diesen Christkönigssonntag einmal mehr im Angesicht von Krieg und aktueller Not nicht sehr weit weg von unserer Haustür. Wir feiern diesen Christkönigssonntag und spüren die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einer Pandemie, die zwar selbst mehr und mehr verschwindet aber ihre überdeutlichen Spuren in unseren Gesellschaften hinterlässt. Wir feiern diesen Christkönigssonntag und erleben, wie politische Systeme wie etwa eine amerikanische Demokratie an Bedeutung verliert, weil in ihr zerstörerische Kräfte wirken, und zugleich verschiedene Diktaturen in dieser Welt an Schlagkraft gewinnen. An vielen Stellen erleben wir, wie der gesellschaftliche Ton rauer wird und die Bereitschaft zu Solidarität mit jenen, die Hilfe brauchen, abnimmt. Das lässt fragen nach dem, was gilt, was selbstverständlich ist; nach dem, was zu gutem und sicheren Leben verhilft. Viele gesellschaftliche und politische Antworten, die angeboten werden, sind oft weder hilfreich noch überzeugend.
Und jetzt?
Nicht um sich selbst drehen
Da ist einer, der hat die Grenzen allen Übels überwunden, selbst den Tod. Der hat sich über die Ängste und Nöte der Menschen erhoben, ohne selbst überheblich zu sein. Vielmehr sind Demut, Transparenz und Echtheit in seinem Wirken und in seinem Sterben seine Markenzeichen. Er lädt uns ein, dass wir uns an diesem Beispiel ausrichten und ihm folgen und so neuen Mut gewinnen und Handlungsperspektiven ausmachen können. – Weil der Gottessohn am Kreuz gestorben und auferstanden ist und eine Herrschaft von Hoffnung und Zuversicht hat anbrechen lassen, wischt das bestehendes Unrecht und herrschende Not nicht einfach vom Tisch. Gar nicht. Aber Gott schenkt uns, jedem und jeder Einzelnen, in diesem Geschehen die Kraft aufzubrechen und zu handeln, weil sein Sohn selbst ganz neue, völlig alternative Perspektiven aufweist. Dann rette dich doch selbst, sagt der eine Verbrecher zu Jesus. Und der macht ihm klar, dass es genau darum nicht gehen kann: Es ist Gott, der rettet durch die Herrschaft der Liebe seines Sohnes, die von uns weitergetragen werden soll. Die hl. Teresa von Avila hat diesen Gedanken einmal aufgegriffen und ausgeführt:
Christus hat keinen Körper außer Deinem.
Keine Hände, keine Füße auf der Erde außer Deinen.
Es sind deine Augen, mit denen er sieht – er leidet mit dieser Welt.
Es sind deine Füße, mit denen er geht, um Gutes zu tun.
Es sind deine Hände, mit denen er die Welt segnet.
Christus hat jetzt keinen Körper auf der Erde außer Deinem.
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